Leerverkäufe: Sündenbock oder Wurzel allen Übels?

Duncan Neiderauer
Duncan Neiderauer(c) AP (Richard Drew)
  • Drucken

Seit Mitte Mai sind bestimmte riskante Börsengeschäfte mit Aktien und Euro-Anleihen auch in Deutschland verboten. Für Kritiker sind Leerverkäufe "Massenvernichtungswaffen", Börsenprofis sehen sie als Sündenböcke.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will noch mehr Deals mit ungedeckten Leerverkäufen kippen. Der drastische Schritt hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Was spricht dafür und was dagegen:

Pro: Brandbeschleuniger in heißer Luft

Für Kritiker sind sie schlicht "Massenvernichtungswaffen" oder "Brandbeschleuniger". Grundsätzlich sei es ja okay, auf fallende Kurse zu wetten. Bei ungedeckten Leerverkäufen aber handelten Investoren mit Papieren, die sie sich noch nicht einmal geliehen haben. Das geht, weil eine Lieferpflicht für Aktien meist erst nach Tagen besteht. So könnten die Zocker ohne viel eigenes Geld Kurse in den Keller schicken.

Schäuble findet, das sei ein bisschen so wie beim Fußball-Wettskandal - wenn Akteure versuchten, den Ausgang des Matches zu manipulieren, müssten die Spielregeln eben verschärft werden. Solche Auswüchse hätten das Vertrauen in die Finanzmärkte erschüttert. Spekulanten hätten gegen Euro-Länder gewettet - und die Turbulenzen der Währung deshalb "noch einmal eine neue Dimension erreicht".

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn findet es gut, dass Investoren ausgebremst werden, die gezielt und ohne großen Kapitaleinsatz ihre Marktmacht nutzen, um Kurse nach unten zu drücken. "Wann immer Gewinne aus Marktmacht resultieren, sind sie ein Zeichen für Marktfehler. Ein Verbot ist ein Vorteil für die Volkswirtschaft."

Kontra: Sündenböcke für die Politik

Börsenprofis werfen der deutschen Regierung vor, die Bürger hinters Licht zu führen. Die Politiker wollten vom eigenen Versagen und der dramatischen Verschuldung einiger Euro-Länder ablenken. Die Schuld solle ominösen Spekulanten in die Schuhe geschoben werden.

Die Regierung selbst räumt ein, dass die Schieflage an den Märkten und der Kursrutsch des Euro nur möglich war, weil Griechenland, Spanien oder Portugal jahrelang auf Pump lebten und so für Spekulationen erst anfällig wurden.

Experten schütteln den Kopf, dass Schäuble in Europa allein vorgeprescht ist und auch nur einen kleinen Teil dieser riskanten Geschäfte verbietet.

Der Großteil von Spekulationsgeschäften mit Währungsprodukten finde gar nicht an den deutschen Börsen statt, sondern direkt zwischen Banken und Investoren. Die Finanzaufsicht BaFin könne das alles unmöglich prüfen.


Clevere Investoren würden jetzt einfach einen Bogen um deutsche Marktplätze machen und noch mehr Leerverkäufe in London, New York oder Schanghai einfädeln.

(Ag. )

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Euro rutscht in Richtung "fairer Wechselkurs"

Gerüchte um eine bevorstehende Rückstufung Frankreichs und Italiens ließen am Dienstag den Euro neuerlich abstürzen. Als größeres Problem wird allerdings die europäische Schuldenkrise gesehen.
Wirtschaftskommentare

Der Euro und die fahrlässige Krida

Die Eurostaaten werden ihre Sanierungsprogramme noch einmal nachjustieren müssen. Wir nicht: Wir haben noch keines.
International

Banken-Probleme wegen Hellas-Bonds

Die Vorstände könnten wegen der Griechenland-Hilfe vor Gericht gezerrt werden. Juristen zufolge müssen die Generaldirektoren damit rechnen, von ihren Aktionären geklagt zu werden.
Euro fällt auf tiefsten Stand seit April 2006
International

Länderratings in Gefahr: Euro fällt auf 1,21 Dollar

Marktgerüchte über Rating-Abstufungen von Italien und Frankreich haben einen Kursrutsch ausgelöst. Eine Stabilisierung des Euro ist nicht in Sicht.
WKO head Leitl reacts during a news conference in Vienna
Österreich

Leitl zum schwachen Euro: "Wir waren vorher zu teuer"

Österreich profitiere von einem schwachen Euro, sagt Wirtschaftskammer-Chef Leitl. Auslöser der Wirtschaftskrise seien "nicht ein paar gierige Finanzhaie". Schuld sei die "Unfähigkeit der Politik".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.