Der Wiener Börse geht langsam der Treibstoff aus

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Die Liste der Firmen, die dem Kapitalmarkt den Rücken kehren, wird länger. Neuzugänge sind nicht in Sicht. Für das geringe Interesse am Kapitalmarkt gibt es mehrere Gründe.

[Wien]Austrian Airlines, Christ Water, Constantia Packaging, Eco Business, CA Immo International, Immoeast, Skyeurope, Bank Austria – und vermutlich auch bwin: Immer mehr Unternehmen verlassen die Wiener Börse. Zwar wurde am Freitag der Handel mit der Aktie von A-Tec wieder aufgenommen, doch die Zukunft des von Mirko Kovats gesteuerten Mischkonzerns ist ungewiss.

Auf der anderen Seite fehlen dem heimischen Aktienmarkt Neuzugänge. Der letzte Börsegang liegt mit dem Baukonzern Strabag schon drei Jahre zurück. Einige Unternehmen wie die Energie AG Oberösterreich, der steirische Abfalldienstleister Saubermacher und der Stahlkonzern Breitenfeld haben Pläne, sich Geld vom Kapitalmarkt zu holen, auf Eis gelegt. Im Zuge der Finanzkrise sind die durchschnittlichen Monatsumsätze an der Börse von 14,7 Mrd. Euro im Spitzenjahr 2007 auf 6,1 Mrd. Euro eingebrochen. „Wir sind bei Neuzugängen in Europa aber keine Ausnahme“, sagt Börsevorstand Heinrich Schaller. Auch Frankfurt und London verzeichneten heuer nur wenige Börsegänge. Nur in Asien (vor allem in China, Hongkong, Indien und Malaysia) sowie in Brasilien, wo die Wirtschaft boomt, gibt es milliardenschwere Emissionen. Schaller: „Ich hoffe, dass wir 2011 bei uns wieder neue Unternehmen begrüßen können.“

Für das geringe Interesse am Kapitalmarkt gibt es mehrere Gründe:
•Keine Aktienkultur: Österreich ist ein Land der Sparbuchsparer. Nur fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung halten Aktien.

In Deutschland legen private Haushalte 22,3 Prozent des Vermögens in Aktien an, in den USA sind es 24,3 Prozent.


Starke Abhängigkeit von Banken
•Abhängigkeit von Banken: Brauchen Firmen Geld, nehmen sie im Regelfall einen Kredit auf. Schaller erwartet, dass sich dies im Zuge der neuen Eigenkapitalvorschriften für Finanzinstitute (Basel III) ändern wird. Denn die Banken sind künftig gezwungen, riskante Geschäfte und Beteiligungen mit deutlich mehr Eigenkapital zu unterlegen.

Dies könnte zu einer Verteuerung von Krediten führen. „Damit werden sich mehr kleinere und mittlere Unternehmen für den Kapitalmarkt interessieren“, ist Schaller überzeugt. Ein Hemmschuh sind allerdings die strengen Transparenzvorschriften wie Quartalsberichte und Ad-hoc-Mitteilungen. Firmeninhaber und Manager müssen lernen, dass Aktionäre Mitspracherechte haben und auf Hauptversammlungen ziemlich lästig sein können.
•Keine Privatisierungen: Jede Börse lebt von Zugpferden – von großen Konzernen, die vor allem internationale Investoren anlocken. Seit dem Regierungseintritt der Sozialdemokraten ist es mit dem Verkauf von Staatsfirmen vorbei.

Um das Budget zu entlasten, fordert das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) weitere Privatisierungen. Vor allem in der Energiebranche sieht Wifo-Experte Michael Böheim Potenzial. Es gebe außer dem Verbund noch neun Landesenergieversorger, die relativ einfach an die Börse gebracht werden könnten. Dies würde je nach Beteiligung zwischen drei und 14 Mrd. Euro bringen.

Um die SPÖ zu beruhigen, könnte die öffentliche Hand weiterhin mit einer Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie an den Firmen beteiligt bleiben.


Schädliche Steuerdiskussionen
•Krise in Osteuropa: Im Zuge der Osteuropa-Euphorie ging es mit der Wiener Börse aufwärts. Denn die Schwergewichte wie Erste Bank, OMV und Raiffeisen Bank International erwirtschafteten einen Großteil der Erlöse in der einstigen Boomregion.

Im Zuge des Konjunktureinbruchs sind die Aktienkurse eingebrochen, wobei sich hier mittlerweile eine Erholung abzeichnet.
• Schädliche Steuerdebatten: Der Vorstand der Börse warnt, dass durch die vor allem von der SPÖ geforderten Abgaben wie Vermögenszuwachssteuer, Börsenumsatzsteuer und Finanztransaktionssteuer Investoren vertrieben würden. „Wien als kleiner Markt ist besonders anfällig für Abwanderungen“, sagt Schaller.

Im wichtigen „ATX Prime“ bilden institutionelle Investoren aus den USA (Fondsgesellschaften, Versicherungen, Pensionskassen) mit 27,8 Prozent die größte Gruppe. Dahinter liegen Anleger aus Großbritannien und Österreich (mit je 16 Prozent), gefolgt von Deutschland (9,5 Prozent), Frankreich und der Schweiz (je 5,8 Prozent).
• Leere Versprechungen der Politik: Österreich ist das einzige Land in der Europäischen Union, in dem es noch keine Bilanzpolizei für börsenotierte Firmen gibt.

Auch das im Vorjahr von der Regierung angekündigte Reformpaket für den Kapitalmarkt, bei dem unter anderem die gesetzlichen Meldeschwellen für Beteiligungen an börsenotierten Firmen gesenkt werden soll, liegt auf Eis.

Auf einen Blick

Der Wiener Börse fehlt frisches Kapital: Der letzte Börsegang liegt mit dem Baukonzern Strabag schon drei Jahre zurück. Gleichzeitig sind im Zuge von Übernahmen und Umstrukturierungen viele Firmen vom Kurszettel verschwunden. Am Freitag wurde zwar der Handel mit der A-Tec-Aktie wieder aufgenommen. Doch die Zukunft des Mischkonzerns von Mirko Kovats ist ungewiss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2010)

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