Amis-Pleite: Der Staat muss zahlen

(c) FABRY Clemens
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Laut Gerichtsurteil muss der Bund wegen des Versagens der Finanzaufsicht alle Anleger des Finanzdienstleisters Amis entschädigen. Die Opferanwälte fordern 110 Mio. Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Wien. Die 15.000 Anleger des in die Pleite geschlitterten Finanzdienstleisters Amis können aufatmen: Sie müssen laut Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom Staat zur Gänze entschädigt werden. Begründet wird dies mit der mangelhaften Prüftätigkeit der früheren Bundeswertpapierbehörde (nunmehr Finanzaufsicht). Diese hatte im Mai 1999 bei Amis eine Vor-Ort-Prüfung durchgeführt.

Schwerer Betrug

Nach Ansicht des Gerichts hätten die Mitarbeiter der Aufsicht aus den ihnen vorliegenden Informationen und Erkenntnissen bei entsprechender Fachkenntnis die Gefahr von Malversationen erkennen und deshalb weitere Maßnahmen ergreifen müssen. „Die Unterlassung der gesetzlich gebotenen Nachforschungen, Überprüfungen und Maßnahmen hat das Gericht als haftungskausal, rechtswidrig und schuldhaft gewertet“, sagt der Grazer Anwalt Harald Christandl, der 3300 Amis-Opfer vertritt. Die Republik müsse daher auch für jene Verluste aufkommen, die nicht von der Anlegerentschädigung für Wertpapierfirmen abgedeckt werden. Die Opferanwälte fordern in Summe 110 Mio. Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es ist offen, ob die staatliche Finanzprokuratur dagegen berufen wird.

Amis war einst der größte Finanzdienstleister in Österreich. Im November 2005 ging die Firma in Konkurs. Die Vorstände wurden im Dezember 2007 wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs zu Haftstrafen verurteilt. Doch bis heute haben die Opfer keinen Cent erhalten.

Laut Gesetz hätte die sogenannte Anlegerentschädigung für Wertpapierfirmen (AeW) einspringen und jedem Amis-Kunden bis zu 20.000 Euro auszahlen müssen. Doch der von den Wertpapierfirmen gespeiste Entschädigungstopf reichte nicht aus. Daher liegt der Ball beim Staat, doch dieser prüft noch. „Der Bund hat die Pflicht, ein ordentliches Entschädigungssystem aufzubauen“, meint Christandl. Er fordert die Finanzprokuratur seit Jahren dazu auf, entsprechende Schritte für Amis-Anleger zu setzen. „Sonst werden wir weiterklagen“, sagt der Grazer Anwalt.

Verhandlungen mit dem Staat

„Wir sind mit den Betroffenen in Gesprächen“, unterstreicht Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur. Er sei zuversichtlich, dass man eine Lösung finden werde. Auf einen Zeithorizont wollte sich Peschorn aber nicht einlassen.

Christandl hat dem Bund eine Frist bis Jahresende gegeben: „Wir lassen uns nicht pflanzen.“ Dem Vernehmen nach soll es in den nächsten Tagen intensive Verhandlungen geben.

Auch die Anlegerentschädigung für Wertpapierfirmen hofft auf eine Lösung bis Jahresende: Schaltet der Staat weiter auf stur, muss sie Konkurs anmelden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2010)

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