Portugal kommt mit 80 Milliarden EU-Hilfe nicht aus

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Verhandlungen über die zugesagte 80-Mrd.-Euro-Krisenhilfe sind noch nicht abgeschlossen, da tut sich schon das nächste Loch auf: Das Land wird möglicherweise gut 100 Milliarden benötigen, hieß es am Dienstag.

Lissabon/Ag. Im Gebälk der Euro-Krisenländer knistert es weiter ziemlich bedrohlich: Nach den Turbulenzen um eine mögliche „Umstrukturierung“ der griechischen Staatsschulden (untermauert vom Wunsch der griechischen Regierung, die Schulden zu „strecken“, was einer solchen Umstrukturierung schon sehr nahe kommt) kommt nun Portugal erneut ins Gerede. Nach Angaben der portugiesischen Wirtschaftszeitung „Diario Economico“ gehen Experten der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterdessen davon aus, dass Portugal mit dem zugesagten 80-Mrd.-Euro-Hilfspaket nicht auskommen wird.

Nötig seien jetzt mindestens 100 Mrd. Euro, hieß es. Zehn Milliarden davon seien allein für die Stabilisierung des schwer angeschlagenen Bankensektors zu veranschlagen.

Eine Expertengruppe der „Geberorganisationen“ EU, EZB und IWF hat bereits Gespräche mit der Übergangsregierung und der Opposition in Lissabon aufgenommen, hieß es. Es gebe Zweifel, ob die EU tatsächlich bereit sein werde, mehr als die bisher zugesagten 80 Mrd. Euro zu bewilligen.

Verhandlungen vor Durchbruch

Portugal musste als drittes europäisches Land – nach Griechenland und Irland – um Finanzhilfe bitten. Derzeit laufen gerade Verhandlungen über die Bedingungen, unter denen diese Hilfe gewährt wird. Die EU will das Hilfspaket noch vor den für Juni angesetzten Parlamentswahlen in Portugal unter Dach bringen.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Nach Informationen aus Lissabon stehen die Verhandlungen (allerdings für das „alte“ 80-Mrd.-Euro-Paket) unmittelbar vor dem Durchbruch. Es gelte als beinahe sicher, dass die Oppositionsparteien dem Paket noch heute, Mittwoch, zustimmen. Trifft das zu, dann könnte das Paket von der Übergangsregierung schon in den nächsten Tagen präsentiert werden.

Ohne Opposition geht dabei freilich nichts: EZB und IWF verlangen im Gegenzug zu den Finanzhilfen umfassende Reformen und einen einschneidenden Sparkurs, der nur mit breiter Parteienzustimmung durchgezogen werden kann. EU, EZB und IWF haben die Zustimmung aller wesentlichen politischen Parteien zu diesem Reform- und Sparprogramm zur Grundbedingung für die Finanzhilfen gemacht.

Über ein striktes Sparprogramm, das von der Opposition abgeschmettert wurde, war die Regierung von Premierminister Sokrates (der bis zu den Wahlen am 5.Juni auch die Übergangsregierung führt) schon im März gestolpert. Sokrates war daraufhin zurückgetreten. Einen Tag später hatte Portugal um Finanzhilfe angesucht. Gestern, Dienstag, haben Gespräche der IWF-Delegation mit der PSD (Sozialdemokraten) und der Partei Demokratisches und Soziales Zentrum (CDS) begonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2011)

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