Griechenland droht eine Bankenkrise

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Griechen plündern weiterhin ihre Sparguthaben. Die Kapitalflucht wird seit einiger Zeit mit Sorge beobachtet. Wird die Flucht aus den Bankguthaben nicht gestoppt, droht den Banken 2012 eine 22-Mrd.-Euro-Finanzlücke.

Wien/Athen/Bloomberg. Auf einem Nebenschauplatz der griechischen Schuldenkrise spitzt sich die Lage dramatisch zu: Weil die Bankkunden den Instituten nicht mehr vertrauen und weiter massiv Spareinlagen abziehen, droht den Geldinstituten eine riesige Finanzierungslücke. Sollten die Griechen weiter so massiv Geld beheben, dann entsteht den Banken im kommenden Jahr eine Finanzierungslücke von 22 Mrd. Euro, schätzt das Investmenthaus Henderson Global Investments. Dieses Geld müsste zusätzlich zu den Hilfspaketen für den Staat aufgebracht werden.

Die Kapitalflucht aus dem Land wird seit einiger Zeit mit Sorge beobachtet. Sie hat sich in den vergangenen Wochen freilich nicht, wie erwartet, beruhigt, sondern noch verstärkt.

Einlagen drastisch gesunken

Der Kapitalabfluss hatte schon 2009 begonnen. Im September 2009 hatte der Einlagenstand mit 238 Mrd. Euro seinen Höchstwert erreicht. Im Dezember begann dann die Massenflucht: Seither sind die Einlagen von privaten Haushalten und Unternehmen bei den Geldinstituten des Landes um mehr als 17 Prozent geschrumpft. Gegen Ende 2010 hatte sich die Lage zwischenzeitlich ein wenig beruhigt, seither geht es aber wieder steil bergab.

Die letzten, in dieser Woche veröffentlichten Daten der griechischen Nationalbank stammen vom April. Damals lagen die Einlagen noch bei 196,8 Mrd. Euro – ein Rückgang um fast drei Mrd. Euro innerhalb eines einzigen Monats.

Bisher haben die griechischen Banken diesen dramatischen Abfluss ausgleichen können, indem sie gegen Sicherheiten Darlehen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgenommen oder Kredite an ausländische Banken zurückgefordert haben. Das werde jetzt aber immer schwieriger, meint der Chefvolkswirt von Henderson, Simon Ward.

„Ich kann nicht erkennen, womit diese Lücke künftig geschlossen werden könnte“, sagte Ward in London. „Alles neue Geld von der Europäischen Union und vom Internationalen Währungsfonds wird für den Staatshaushalt benötigt werden, für das Bankensystem wird so zusätzlicher Geldbedarf entstehen.“

Ward meint deshalb, der fortgesetzte Kapitalabfluss werde im Land „eine ausgewachsene Bankenkrise“ auslösen: „Irgendwann werden die Konteninhaber daran gehindert werden, ihre Einlagen abzuziehen.“

Die Notenbank beruhigt: Spareinlagen seien gesichert. Freilich, wie in Österreich, nur bis zu einer Höhe von 100.000 Euro pro Kontoinhaber und Institut.

Die griechischen Sparer beruhigt das offenbar wenig: Sie plündern weiter ihre Konten – und bringen das Geld in großem Stil ins Ausland in Sicherheit. Auf den internationalen Flughäfen in Saloniki und Athen sind in jüngster Zeit bei Stichproben mehrmals größere Bargeldbeträge bei ausreisenden Griechen gefunden worden.

Starke Einkommensverluste

Das griechische Finanzministerium schätzt freilich, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der abgehobenen Gelder zu Hause als Barreserve gehortet wird. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Abhebungen dürfte auch zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards getätigt werden: Durch drastische Einschnitte etwa bei Pensionen und Gehältern haben die Griechen seit Ausbruch der Krise im Schnitt 20 Prozent ihrer laufenden Einkommen eingebüßt. Das werde jetzt mit Sparguthaben kompensiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2011)

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