Streit über „Milliardenverlust“ der Stadt Wien

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Streit ueber bdquoMilliardenverlustldquo Stadt(c) AP (Luca Bruno)
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Im Zuge der europäischen Schuldenkrise ist der Aktienkurs der Bank Austria-Mutter UniCredit stark gesunken. Dies trifft die Wiener „AVZ-Stiftung“. Die Wiener Sozialdemokraten weisen jede Schuld von sich.

Wien. Wer Aktien der Bank Austria-Mutter UniCredit hält, hat wenig Grund zum Jubeln: In den vergangenen Monaten ist der Kurs wegen der europäischen Schuldenkrise um 30 Prozent eingebrochen, in den vergangenen Tagen erholte sich die Situation etwas. Die Turbulenzen treffen auch die Stadt Wien nahe „AVZ-Stiftung“. Die Opposition wirft den Sozialdemokraten rund um Bürgermeister Michael Häupl vor, ein Vermögen von über einer Mrd. Euro in den Sand gesetzt zu haben.

Denn die Stadt Wien war einst der größte Eigentümer der Bank Austria. Vor zehn Jahren wurde die Beteiligung (zusammengefasst in der AVZ-Stiftung) um 1,7 Mrd. Euro an die Münchner HypoVereinsbank (HVB) verkauft. Statt Geld erhielt die Stiftung ein Aktienpaket der HVB, das aber massiv an Wert verlor. Dieser Trend setzte sich auch fort, als die HVB von der italienischen UniCredit übernommen wurde. Aus Unterlagen der jüngsten UniCredit-Hauptversammlung geht hervor, dass die Wiener noch mit 0,7 Prozent beteiligt sind. Gemessen am Börsenkurs von Dienstag entspricht dies einem Wert von etwas mehr als 170 Mio. Euro.

Opposition steigt auf die Barrikaden

Deswegen steigt nun die Opposition auf die Barrikaden. Das Ganze sei „unfassbar“, meint Wiens ÖVP–Chefin Christine Marek. Mit den 1,5 Mrd. Euro, die von der Stadt mutmaßlich verschleudert worden seien, hätte man sofort die Hälfte der drei Mrd. Euro Schulden Wiens tilgen können und Bürgermeister Häupl könnte sich die „geplante Gebührenerhöhung von Wasser, Müll, Kanal“ sparen. Marek verlangt „sofortige Aufklärung“ sowie einen Einblick in die entsprechenden Unterlagen. Die Stadt Wien hätte 2001 im Zuge der Trennung von der Bank Austria die 1,7 Mrd. Euro in einen Zukunftsfonds investieren sollen – „bestens veranlagt mit Zinserträgen“. Empört zeigt sich auch Wiens FPÖ-Klubchef Johann Gudenus: Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) würde die einst so prächtige und reiche Hauptstadt zum Griechenland Österreichs machen. Brauner müsse daher sofort gefeuert werden.

Das Büro von Vizebürgermeisterin Brauner weist die Vorwürfe zurück. Denn mit den Erträgen von der AVZ-Stiftung werde der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds gespeist. Pro Jahr erhält der Fonds von der Stiftung sieben bis zehn Mio. Euro. Laut der Homepage des Fonds, dessen Präsident Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist, seien von 2003 bis 2010 rund 54 Mio. Euro an Fördermitteln zur Verfügung gestanden.

Zudem heißt es im Büro von Vizebürgermeisterin Brauner, dass die Stadt Wien weder an der AVZ-Stiftung beteiligt, noch in deren Organen vertreten ist. „Die Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten ist, wie der Name schon sagt, eine Privatstiftung und somit eine selbstständige juristische Person.“ In der Stiftungserklärung sei eine „klare Trennung“ zwischen der Stiftung und der Stadt Wien implementiert worden.

Die AVZ-Stiftung selbst zeigt sich wenig auskunftsfreudig. Aus dem Firmenbuch geht hervor, dass die Stiftung nicht nur an der UniCredit, sondern auch am Verkehrsbüro, an der Kontrollbank, an der Bank Austria Real Invest und an der Kreditkartenfirma Card Complete beteiligt ist.

Wie viel alle Anteile wert sind, gibt AVZ-Geschäftsführer Alexander Wolfgring nicht bekannt. Auch die Höhe des im Vorjahr erzielten Gewinns bleibt geheim. Die öffentlich zugänglichen Jahresabschlüsse sind wenig erhellend, da es neben der Stiftung noch eine AVZ-Holding und eine AVZ-Finanzholding gibt.

Ex-Bank-Austria-Vorstände in der Stiftung

Im Vorstand der AVZ-Stiftung sitzen laut Firmenbuch eine ganze Reihe früherer Bank- Austria-Vorstände wie Gerhard Randa, Karl Samstag, Franz Zwickl und Friedrich Kadrnoska. Auch die frühere Bank-Austria-Betriebsratschefin Hedwig Fuhrmann ist in dem Gremium vertreten. Im Wesentlichen entscheidet der Vorstand über das Beteiligungsportfolio.

Im Wiener Rathaus verweist man darauf, dass die Verluste mit UniCredit-Aktien nicht realisiert worden seien. Weiters seien mit der Umwandlung in eine Privatstiftung die Haftungen der Stadt Wien für Bank-Austria-Einlagen um 90 Prozent reduziert worden. Hinzu komme, dass mit der Konstruktion die Zuständigkeit der Bank Austria für Zentral- und Osteuropa innerhalb des UniCredit-Konzerns abgesichert worden seien.

Auf einen Blick

Die Talfahrt des Aktienkurses der UniCredit trifft auch die Stadt Wien nahe „AVZ-Stiftung“. Vor zehn Jahren hatte das von der Stiftung gehaltene Aktienpaket einen Wert von 1,7 Mrd. Euro. Mittlerweile ist der Kurs auf 170 Mio. Euro gesunken. Die Opposition steigt deswegen auf die Barrikaden und verlangt Einblick in die entsprechenden Unterlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2011)

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