EZB hält Zinsen vorläufig bei 1,5 Prozent

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Eine Erhöhung wird noch heuer erwartet. Kredite könnten dann wieder teurer werden. Das größte Sorgenkind der Zentralbank ist derzeit neben Griechenland Italien.

Wien/Apa/Stef. Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag den Leitzins unverändert bei 1,5 Prozent belassen. Eine Erhöhung des Zinssatzes wird erst gegen Ende des Jahres erwartet, frühestens im Oktober, spätestens im Dezember.

Tatsächlich steckt die Zentralbank seit Langem in einem Dilemma: Die brummende deutsche Wirtschaft schreit förmlich nach einer Zinserhöhung, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Eine Zinserhöhung wäre ein Weg dazu, weil Anleger dann ihr Geld lieber sparen und Investoren weniger investieren. Hingegen fürchten die Währungshüter, mit höheren Zinsen die schwächelnden Volkswirtschaften der Sorgenkinder Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Irland abzuwürgen.

Für den Konsumenten in Österreich bedeuten die verhältnismäßig niedrigen Zinsen einerseits günstige Kredite, andererseits bringen sie hohe Teuerungsraten. Die Inflation in der Alpenrepublik liegt bei 3,3 Prozent, in der Eurozone je nach Berechnungsart zwischen 2,5 und 2,7 Prozent. Damit verfehlt die EZB ihr offiziell vorgegebenes Ziel, die Teuerung „unter, aber nahe zwei Prozent“ zu halten, deutlich.

Angespannte Lage in Italien

Das größte Sorgenkind der Zentralbank ist derzeit neben Griechenland Italien. In den vergangenen Wochen verlangten die Investoren immer höhere Renditen für dessen Staatsanleihen. Am Donnerstag sank die Rendite für italienische Anleihen zunächst, ehe sie am Nachmittag wieder auf über 6,1 Prozent stieg – mit diesem Prozentsatz lassen sich Anleger das Risiko abgelten, Italiens Staatsschuld weiter zu finanzieren.

Ob auch die EZB weiterhin Staatsanleihen der europäischen Krisenstaaten aufkaufen wird, blieb am Donnerstag vorerst unklar. Die Ratingagentur Standard&Poor's forderte die Zentralbank dazu auf. „Wir brauchen jemanden, der interveniert“, sagte Chefökonom Jean-Michel Six. Seit Anfang 2010 hat die EZB Staatsanleihen von europäischen Staaten über 74 Mrd. Euro aufgekauft. Im EU-Vertrag ist eine derartige Intervention nicht vorgesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)

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