Finanzen: "Wissen wurde oft durch Vertrauen ersetzt"

Gerhard Weibold
Gerhard Weibold
  • Drucken

Das Interesse an Finanzthemen ist hoch, der Wissensstand extrem niedrig: Experte Gerhard Weibold versucht das mit einem Finanzführerschein zu ändern.

"Bei einer Lebensversicherung mit Kapitalgarantie bekommt man den eingezahlten Beitrag auf jeden Fall zurück". Falls Sie dieser - falschen - Aussage zustimmen, müssen Sie sich nicht schämen. Fast jeder würde das machen, sagt Finanzexperte Gerhard Weibold. Und er muss es wissen: Bei seinem Online-Finanztest, der auch auf DiePresse.com angeboten wird, wurden bereits mehr als acht Millionen Fragen zu den Themen Anlage, Finanzierung und Versicherung beantwortet. Laut Weibold ist es die „größte empirische Untersuchung, die es jemals zum Thema Finanzwissen gegeben hat". Das Ergebnis fällt ernüchternd aus: "Querfeldein Nichtwissen und Falschwissen", resümiert der Professor und Unternehmer.

Allerdings habe sich seit dem Start seiner Finanzbildlungsoffensive im Jahr 2006 doch einiges geändert: Während vor der Finanzkrise sich wenige Menschen überhaupt mit dem Thema befasst haben, habe das Interesse seither "enorm zugenommen", so Weibold. Das bestätigt auch eine Studie von GfK und S-Versicherung. Demnach würden 70 Prozent der Österreicher gern noch besser über Finanzthemen Bescheid wissen.

Vor der Finanzkrise sei "fehlendes Wissen oft durch blindes Vertrauen ersetzt" worden. Das sei nun anders: "Viele Leute haben durch mangelhafte Beratung Nachteile erfahren und wollen die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen". Weibold meint, Kunden sollten "Gespräche auf Augenhöhe" führen können. "Die Krise hätte dadurch nicht verhindert werden können - aber bestimmte Auswirkungen auf den Einzelnen sehr wohl".

Bankberater als Vermittler von Finanzwissen?

Die Frage, die sich nun aufdrängt: Wer ist für die Vermittlung von Finanzwissen zuständig? 73 Prozent der Österreicher sind laut der GfK-Studie der Meinung: Die Banken. Immerhin 45 Prozent nennen öffentliche Einrichtungen. Nur 29 Prozent sehen die Verantwortung bei den Schulen und Universitäten. Das überrascht GfK-Experte Alexander Zeh: "Von Autohändlern erwartet man schließlich auch nicht, dass sie dem Kunden das Fahren beibringen". Er tritt für eine bessere Vermittlung von Geldthemen in Bildungseinrichtungen ein.

Finanzexperte Gerhard Weibold meint: "Mehr Finanzbildung im Unterricht sollte nicht erzwungen werden". Wenn das Angebot gut ist, würde es aber automatisch nachgefragt werden. Finanzthemen seien "weder sexy, noch lustig", daher müsse das Lernmaterial umso attraktiver aufbereitet werden.

Financial Education: EU-weit ein Thema

Weibold versucht das mit dem interaktiven Finanztraining, das er in Schulen und in der Erwachsenenbildung anbietet. Seit kurzem gibt es auch spezielle Kurse für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter "finanz-fit" machen wollen. Abschluss ist der €FDL Finanzführerschein (€uro Finance Driving Licence) - eine österreichische Erfindung, die mittlerweile auch auf deutschen Plattformen angeboten wird und vielleicht auch bald in anderen EU-Staaten. Auch auf Europäischer Ebene tut sich etwas: Seit wenigen Jahren befasst sich eine EU-Expertengruppe mit dem Thema Financial Education.

Es gebe seit der Wirtschaftskrise zwar viele Initiativen, ob sich am Wissensstand der Österreicher so bald etwas verbessert, bezweifelt Gfk-Experte Zeh aber. Eine EU-Studie lässt jedenfalls an kurzfristigen Erfolgen zweifeln. Ein Viertel der Österreicher konnte die Frage, ob ein Zinssatz von -1 Prozent, 2 Prozent, 3 Prozent oder 4 Prozent der beste für ihre Spareinlagen ist, nicht richtig beantworten. Nur in vier EU-Ländern gab es noch mehr falsche Antworten.

>>> Finanzwissen testen auf DiePresse.com

Der Weg zum €FDL Finanzführerschein

>>> finanzfuehrerschein.eu

Finanztest
Finanzwirtschaftliche Aussagen können online mit richtig oder falsch bewertet werden – anonym und ohne Anmeldung. Ab einer bestimmten Fortschritts- und Erfolgsquote kann eine Benotung oder Testbestätigung angefordert werden.

Finanztraining
Mittels Videos, Infografiken und anderen interaktiven Tools können die Teilnehmer entweder in einem Seminar oder selbst im Internet ihr Finanzwissen verbessern.

Finanzführerschein
Er wird mittels einer beaufsichtigten Online-Prüfung erworben. Man erhält das €FDL-Zertifikat, das als Nachweis des erworbenen Finanzwissens dient.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Schule: "Bilanzen zu erstellen ist keine Allgemeinbildung"

Sind Unternehmerführerschein und Co. geeignet, um Schülern Wirtschaftswissen vermitteln? Unter AHS-Lehrern scheiden sich die Geister.
Fach Wirtschaft Geographie Fehlkonstruktion
Österreich

"Fach Wirtschaft und Geographie ist Fehlkonstruktion"

Weniger Spanisch, mehr Ökonomie: Wirtschaftspädagoge Josef Aff ist für ein eigenes Fach Wirtschaft an AHS. Dafür würde er bei Fremdsprachen kürzen.
Banken Wissensvermittler Eine Crux
Österreich

Banken als Wissensvermittler: Eine Crux?

Die meisten Österreicher beziehen ihr Finanzwissen über den Bankberater. Kunden- und Eigeninteressen bilden allerdings ein Spannungsfeld.
Kampf gegen FinanzNichtwissen beginnt
Österreich

Der Kampf gegen das Finanz-Nichtwissen beginnt früh

Schüler haben kaum Ahnung von Wirtschaft. Eine zunehmende Anzahl von Initiativen will nun das Finanz-Wissen aufpolieren. Eine Bestandsaufnahme.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.