Banken tricksen an Bilanzen herum

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Den europäischen Banken stehen strengere Eigenkapitalvorschriften bevor. Weil die Institute keine Kapitalerhöhungen durchführen wollen, ändern sie ihre Bewertungen. Kapitallücke der Banken von 106 Mrd. Euro.

Bloomberg/Red. Die europäischen Banken sehen sich in naher Zukunft mit strengeren Eigenkapitalvorschriften konfrontiert. Einige Institute wollen diese Regeln aber unterlaufen und beginnen damit, bestimmte Vermögenswerte als weniger risikoreich zu deklarieren.

In Spanien haben Banco Santander und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria ihren Kapitalbedarf mit 13,6 Mrd. Euro veranschlagt. Die Institute haben nun erklärt, die Hälfte des Betrages decken zu können, indem sie die Berechnungen ihrer Risikogewichtungen ändern. Eine sogenannte „risikogewichtete Aktiva-Optimierung“ ermöglicht es den beiden größten Banken des Landes, die Eigenkapitalquoten zu erhöhen, ohne die Kreditvergabe einzuschränken.

Angesichts der europäischen Schuldenkrise haben die Aufsichtsbehörden die Banken im vergangenen Monat dazu angehalten, das Kernkapital bis Ende Juni des kommenden Jahres auf neun Prozent zu erhöhen.

In Summe weisen die Kreditinstitute in Europa eine Kapitallücke von 106 Mrd. Euro auf. Sie zögern jedoch, Dividenden oder Bonuszahlungen zu kürzen. Auch tun sie sich mit der Aufnahme von Kapital schwer. Eine andere Alternative, eine gedrosselte Kreditvergabe, versuchen Politiker zu verhindern, weil dies eine Rezession auslösen könnte. Erst am gestrigen Donnerstag hat die EU-Kommission ihre Prognose für die Eurozone dramatisch gesenkt. Demnach wird 2012 lediglich ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent erwartet. Zu einem früheren Zeitpunkt war man von plus 1,8 Prozent ausgegangen(siehe Seite 1).

„Wenn wir den cleveren Banken ihre eigenen Modelle erlauben, erlauben wir dem Wilderer, an der Jagdaufsicht teilzuhaben“, sagt Adrian Blundell-Wignall von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). „Damit besteht die Gefahr, dass die Kernkapitalquoten sinnlos werden.“

Auch andere Banken tricksen

Die spanischen Banken sind jedoch nicht die einzigen, die solche Bilanztricks anwenden. Die viertgrößte italienische Bank, Unione di Banche Italiane, hat angekündigt, sie werde ihr Risikogewichtungsmodell ändern. Auf diese Weise muss sie ihre Aktionäre nicht in Anspruch nehmen, um eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Der Bank wird ein Kapitalbedarf von 1,5 Mrd. Euro unterstellt.

In Deutschland hegt die Commerzbank ähnliche Pläne. Lloyds und HSBC haben eigenen Angaben zufolge ihre risikogewichteten Vermögenswerte durch eine Änderung des Modells bereits gesenkt. „Der qualitativ anspruchsvollste Weg, die Quote von neun Prozent zu erreichen, ist dies wohl nicht“, sagt Neil Smith von der West LB.

Die europäischen Banken, für die noch die Basel-II-Vorschriften gelten, benutzen für die Ermittlung ihres Eigenkapitalbedarfs ihre eigenen Modelle. Dabei basiert die Entscheidung auf einer Einschätzung der Ausfallswahrscheinlichkeit der Vermögenswerte und dem Risiko der Geschäftspartner.

Je risikoreicher ein Vermögenswert ist, desto höher ist die Gewichtung und desto mehr Kapital muss die Bank dafür vorhalten. Die Gewichtung beeinflusst die Rentabilität des Handels und der Investments in diese Vermögenswerte. Die Banken reichen ihre Modelle einmal im Jahr bei den nationalen Aufsichtsbehörden ein. Sie müssen diese jedoch nicht veröffentlichen, und die Risikogewichtungen für dieselben Vermögenswerte variierten von Bank zu Bank, sagen Aufsichtsbehörden und Analysten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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