Schwellenländer: Ist die Bric-Party schon vorbei?

Schwellenlaender BricParty schon vorbei
Schwellenlaender BricParty schon vorbei(c) AP (Greg Baker)
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Die vier größten Schwellenländer waren eine der größten Erfolgsstorys der letzten zehn Jahre. Jetzt mehren sich die Zeichen, dass künftig härtere Zeiten anbrechen werden. Das Wachstum bremst sich ein.

Genau ein Jahrzehnt ist der Begriff alt, den keine Werbeagentur besser hätte einführen können als der Goldman-Sachs-Ökonom Jim O'Neill. In einem Report vom 30. November 2001 sagte er den „Brics“ – Brasilien, Russland, Indien und China – eine berauschende Zukunft voraus. Seither war das Kunstwort in aller Munde, vor allem auf dem Börsenparkett.

Und tatsächlich sind die vier großen Schwellenländer eine der größten Erfolgsstorys der vergangenen zehn Jahre. Der MSCI BRIC, ein marktbreiter Aktienindex, der die vier Länder abbildet, hat seit dem 1.Jänner 2002 um knapp 250 Prozent zugelegt. Der Dow Jones schaffte im selben Zeitraum nur ein Plus von gut 20 Prozent, der DAX eines von 15Prozent. Im Jahr 1990 machte das Bruttoinlandsprodukt dieser Länder noch elf Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung aus. Heute sind es 25 Prozent.

Inzwischen mehren sich aber Zweifel daran, ob die Geschichte so weitergehen kann. Im vergangenen Jahr haben sich die Aktienmärkte der Bric-Staaten noch schlechter entwickelt als die viel geprüften europäischen Indizes, die immerhin von einer schweren Schuldenkrise der Euroländer belastet wurden. Investmentfonds, die in den Bric-Staaten investieren, verzeichneten 2011 Kapitalabflüsse von 15 Mrd. Dollar und damit die größten seit mindestens zehn Jahren.

Erfinder zweifeln selber. Selbst bei Goldman Sachs weist man darauf hin, dass die Brics ihren Zenit möglicherweise schon überschritten haben könnten. „Was die Rolle der Brics als Wachstumstreiber betrifft, ist die größte Veränderung schon vorbei“, heißt es in einem Report, der vor wenigen Wochen von der Bank verschickt wurde.Ein großes Problem sei die Überalterung der Bevölkerung und damit der Arbeitskräfte. Ein geringeres Angebot an Arbeitskräften und eine größere Zahl an Pensionisten, die versorgt werden muss, würden sich negativ auf das Wachstum in diesen Ländern auswirken. Albert Edwards, ein Analyst der Société Générale, will sogar eine neue Übersetzung des Akronyms gefunden haben: In einem Kommentar schlug er jüngst „Bloody Ridiculous Investment Concept“ (Verdammt lächerliches Investment-Konzept) vor.

In den vergangenen fünf Quartalen musste sich der MSCI BRIC dem amerikanischen S&P-500 geschlagen geben. Zuvor hatte sich der Index nie so lange am Stück schlechter entwickelt als die amerikanische Messlatte.

Wachstum bremst sich ein. Zurzeit kämpft jedes der vier Länder mit eigenen Problemen: Brasilien wächst immer langsamer, in Russland erhöht sich das Risiko politischer Unruhen, die indische Rupie ist so schwach wie nie, und China wird von Ökonomen vor einer „harten Landung“ gewarnt.

Weniger Exporte nach Europa, kombiniert mit weiteren Maßnahmen zur Begrenzung des Immobilienbooms, werden vor allem das Wachstum in China bremsen. Indien hat das Wachstum mit der schnellsten Serie von Leitzinserhöhungen seit 1935 reduziert. Dazu sah sich die dortige Notenbank durch die Schwäche der Landeswährung und die wachsende Inflation gezwungen. Brasilien und Russland litten im abgelaufenen Jahr auch unter den fallenden Rohstoffpreisen.

Arjuna Mahendran, Leiter der asiatischen Investmentstrategie der HSBC Private Bank in Singapur, sagt den Ländern ebenfalls schwierige Zeiten voraus: „Im ersten Halbjahr wird sich in den Bric-Ländern die Abschwächung fortsetzen.“ Den Unternehmen drohten stärkere Lohnabschlüsse und die Folgen des höheren Zinsniveaus– in Form von größeren Finanzierungskosten. Außerdem erschwerten die Kursschwankungen der Währungen die Geschäfte der Unternehmen.

IWF-Daten zufolge wird sich das Wachstum in den Bric-Staaten im kommenden Jahr auf 6,7 Prozent reduzieren. In diesem Fall würde sich der Aufschlag auf das Wachstum in den USA auf 4,3 Prozentpunkte reduzieren, den niedrigsten Wert seit 2004.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2012)

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