Gewinneinbruch bei der Bundesbank

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Die Bundesbank bereitet sich auf mögliche Zahlungsausfälle vor und überweist weniger Geld nach Berlin. Die Target2-Salden rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Wien/Jil/Ag. Die Krise in Europa hat den Gewinn der Deutschen Bundesbank auf den niedrigsten Wert seit acht Jahren gedrückt. Statt der erwarteten 2,5Mrd. Euro kassiert Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nur 643Mio. Euro aus Frankfurt. Das ist der niedrigste Bundesbank-Überschuss seit dem Jahr 2003 (etwa 200Mio. Euro). Die Notenbank sorgt mit Rückstellungen für mögliche Zahlungsausfälle vor, wie sie am Dienstag erklärte. Die Rückstellung wurde von 4,1Mrd. Euro auf 7,7Mrd. Euro fast verdoppelt.

Hintergrund der Rückstellungen ist der anhaltende Streit zwischen europäischen Notenbankern über die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank EZB. Bundesbankpräsident Jens Weidmann nahm am Dienstag in einem Kommentar für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erstmals zu den umstrittenen Target2-Salden der Notenbanken Stellung. Target2 ist das Zahlungsverkehrssystem der Zentralbanken des Eurosystems. Die Targetforderungen der Bundesbank gegenüber den Zentralbanken des Südens sind mit derzeit rund 550Mrd. Euro längst der mit Abstand größte Bilanzposten der Bundesbank. Mit diesem Geld haben die südlichen Zentralbanken ihre Banken versorgt, die unter einer anhaltenden Kapitalflucht zu leiden haben. Die gesamten Target2-Verbindlichkeiten der Peripherieländer belaufen sich auf mehr als 750Mrd. Euro.

Bundesbankpräsident Weidmann schrieb, dass er die Targetforderungen nicht als eigenständiges Risiko betrachte, weil er ein Auseinanderbrechen der Eurozone „für absurd“ halte. Weidmann spart aber nicht mit Kritik an der lockeren Geldpolitik der EZB: „Es wird nicht mehr nur das erforderliche Minimum an Zentralbankgeld bereitgestellt, sondern das Eurosystem ersetzt in größerem Maße den Interbankenmarkt und andere grenzüberschreitende Kapitalströme.“ Man müsse aber auf das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenpresse achten.

Es sei nicht die Aufgabe der Geldpolitik, marode Banken künstlich am Leben zu erhalten oder die Zahlungsunfähigkeit von Staaten abzusichern, so Weidmann. Das Eurosystem müsse „zügig ein Konzept entwickeln, wie die umfangreiche Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken zeitgerecht zurückgeführt wird, damit daraus keine Inflationsgefahr besteht. Weidmanns Dilemma: In der EZB sind die Weichwährungsländer gegenüber den Hartwährungsländern in der Überzahl. Die Bilanzsumme der EZB wurde dank der lockeren Geldpolitik inzwischen auf drei Billionen Euro aufgebläht. Der ehemalige EZB-Chefvolkswirt und Bundesbanker Jürgen Stark nannte das Ausmaß der EZB-Bilanz zuletzt „gigantisch“ und von „schockierender Qualität“.

Gefahr Target2-Salden

Die Diskussion über Geldpolitik und Target2-Salden wird in Deutschland weitergehen. Der Ökonom und Target2-Experte Hans Werner Sinn lobte Weidmanns Äußerungen am Dienstag in einem Kommentar für „Spiegel Online“.

Die Gefahren, die aus dem System entwachsen, seien laut Sinn aber dramatisch: „Unsere Lebensversicherungspolicen und Sparbücher bestehen heute zu mehr als 13.000 Euro je Erwerbstätigen aus offenen Targetforderungen gegen die anderen Zentralbanken der Eurozone, die wir nicht fällig stellen können, die eine Verzinsung unterhalb der Inflationsrate bringen und die sich ganz oder teilweise als wertlos erweisen werden, wenn der Euro zerbricht oder Euroländer pleitegehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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