Der Boden ist noch lange nicht erreicht

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Investments in Schwellenländern sind noch viel zu riskant, ein wirklich großer Absturz droht aber wohl nicht mehr.

Wann immer die Rede auf Konjunktur oder Aktienmärkte kommt, fällt in letzter Zeit der Begriff „Schwellenländer“: China, Russland, Brasilien und Co. sind in eine veritable Krise gerutscht, und diese Krise belastet auch die Wirtschaft und die Aktienmärkte der Industrieländer schwer. Andererseits sind speziell die Börsen einiger Schwellenländer nach den Kursverlusten der vergangenen Monate schon ziemlich tief gefallen, sodass nicht wenige Anleger bereits Bodenbildung und Einstiegschancen wittern.

Dafür dürfte es aber noch deutlich zu früh sein. Ausgenommen sind hier nur ein paar chinesische Aktien von Unternehmen mit einem starken internationalen Background. Da lassen sich tatsächlich schon ein paar Perlen-Kandidaten – etwa die Solarfirmen Jinko Solar und Trina Solar oder der Internethändler Alibaba – ausmachen. Sie sind einfach auf abenteuerliche Bewertungen heruntergeprügelt worden und bieten auch auf diesem Niveau schon mögliche Einstiegsgelegenheiten für risikoaffine Anleger mit längerem Atem, falls es doch noch einmal scharf nach unten gehen sollte. Sonst ist die Lage aber noch zu unübersichtlich und riskant.

Wenngleich die Krise nicht alle Länder gleichmäßig erfasst. China zum Beispiel dürfte die befürchtete superharte Landung mit einem Aufprall in der Stagnations- oder gar Rezessionszone erspart bleiben. Experten erwarten jetzt, dass sich das BIP-Wachstum bei vier bis sechs Prozent einpendelt. Das ist für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich wenig, an den Aktienmärkten durch die scharfen Kursrückgänge der jüngsten Zeit aber wohl schon eingepreist. Sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben, dann gilt dieses relativ gute Aktienszenario natürlich nicht mehr.

Weniger gut sieht es in anderen Schwellenländern aus. Russland ist extrem von Rohstoffexporten abhängig. Und dort zeigt sich auf der Preisseite leider keinerlei Entlastung. Andere wichtige Schwellenländer, etwa Brasilien und Südafrika, haben hohe Leistungsbilanzdefizite und sind deshalb durch die kommende US-Zinserhöhung extrem verwundbar. Da sollten Anleger eher noch sehr zurückhaltend sein. Vergleichsweise gut läuft es zurzeit in der riesigen Volkswirtschaft Indien.

Wer nach der Bodenbildung vom Wiederaufschwung in diesen Ländern profitieren will, tut das am Besten über Fonds. Einzelaktien sind für Kleinanleger höchstens von großen chinesischen Unternehmen, die auch in New York notieren, interessant. ju

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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