Experte: "Gold wird wieder politisch korrekt"

Experte Gold wird wieder
Experte Gold wird wieder(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Österreichs profiliertester Goldexperte Ronald Stöferle erwartet weitere Preisanstiege, die Rückkehr von Gold ins internationale Geldsystem und erklärt im Interview, warum es immer genug Gold gibt.

Herr Stöferle, der Goldpreis ist zuletzt leicht gesunken. Ist die Blase jetzt geplatzt?

Ronald Stöferle: Eine Blase, die es nicht gibt, kann auch nicht platzen. Auf Eurobasis ist der Goldpreis in den letzten zwölf Monaten ganze 26 Prozent im Plus. Und ich glaube generell, dass der Goldpreis sowohl im Euro als auch im Dollar neue Allzeithochs markieren wird. Jeder große Bullenmarkt endet in einer Übertreibung, einer parabolischen Phase. Davon sind wir aber noch entfernt. Das passiert erst, wenn ein wahrer Goldrausch ausbricht.

Mit Ihrer letzten Prognose sind Sie aber zum ersten Mal daneben gelegen, oder?

Das ist richtig. Das Kursziel, das ich vor einem Jahr ausgegeben habe, war 2000 Dollar. Wir sind dann innerhalb kurzer Zeit auf 1925 Dollar gestiegen, haben ein neues Allzeithoch markiert. Und dann hat eine Korrektur eingesetzt. Klar muss ich da Selbstkritik üben. Aber ich empfehle seit sechs Jahren Gold, und diese Überzeugung war richtig. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass Gold derzeit noch stark unterbewertet ist. Ein Kursziel zu berechnen ist eigentlich sinnlos, der Wert ist immer subjektiv. Wie viel ein Glas Wasser für mich wert ist, hängt stark davon ab, wie durstig ich bin. Insofern würde ich sagen, man sollte nicht den nominellen Goldpreis als Maßstab sehen. Sondern in erster Linie Gold in Relation mit anderen Asset-Klassen setzen.

Als Sie vor sechs Jahren den ersten Goldreport herausgebracht haben, wurden Sie belächelt. Wie erleben Sie heute die Stimmung gegenüber Gold?

Vor sechs Jahren hieß es auch schon: Gold ist in einer Bubble, Gold ist viel zu teuer und so weiter. Also, die vermeintlichen Gegenargumente haben sich nicht wirklich verändert. Was ich bemerke, ist eine laufende Remonetarisierung von Gold: Es nimmt wieder seinen angestammten Platz als Währung ein. Vor sechs Jahren wurde Gold noch ausschließlich als Rohstoff gesehen. Mittlerweile wird es wieder als klare Alternative zu den Papierwährungen betrachtet. Was man merkt ist, dass auch Unternehmen einen Teil ihrer liquiden Mittel heute in Gold parken. Und das sind Dinge, die wären vor sechs Jahren absolut illusorisch gewesen. Dazu kommt die immer intensivere Diskussion über die Frage, ob wir wieder zu einer gewissen Golddeckung des Geldsystems zurückkehren sollen. Gold wird wieder politisch korrekt, könnte man sagen.

Sie schreiben von einer möglichen Golddeckung des chinesischen Renminbi. Wäre auch eine zukünftige Golddeckung des Euro oder des Dollars vorstellbar? Oder gar eine Rückkehr zum klassischen Goldstandard, in dem die Währungen zu einem fixen Kurs an Gold gebunden waren?

Vorstellbar ist es natürlich. Wenn man die Dollar-Basisgeldmenge mit den Goldreserven vergleicht, sieht man, dass der Dollar schon jetzt de facto zu 16 Prozent gedeckt ist. Wir haben aber im Jahr 1980 eine Überdeckung von 168 Prozent gehabt – weil der Goldpreis so stark gestiegen ist. Wenn wir heute in Richtung einer kompletten Deckung gehen wollen, müsste der Goldpreis theoretisch auf 10.000 Dollar steigen.

Dann müsste der Preis aber auch auf diesem Niveau verharren, oder?

Ja, oder die Deckung wäre wieder geringer. Ich halte die Idee nicht für abwegig. Ich glaube, dass die USA einmal 30.000 Tonnen Gold hatten, war ein wichtiger Grund dafür, dass der Dollar zur Weltwährung wurde. China hat derzeit offiziell zwar nur 1,8 Prozent seiner Reserven in Gold – rund 1000 Tonnen. Ich glaube aber, sie haben inoffiziell wesentlich mehr. Sie sind der größte Produzent und Konsument von Gold heute. Der Wohlstand wandert von Westen nach Osten und somit fließt auch das Gold nach Osten. Das sieht man auch an den Goldzukäufen der Zentralbanken in Asien.

Ein Argument gegen einen Goldstandard oder eine Teildeckung des Geldsystems lautet: es gibt ja gar nicht genug Gold!

Es kann keine Goldknappheit geben, weil der Preis das ganz klar entscheidet. Die Entscheidung, dass ich als Goldbesitzer heute nicht verkaufe, ist genauso wichtig wie Ihre Entscheidung, heute zu kaufen. Beim Goldpreis von 2300 Dollar oder 5000 oder 10.000 werde ich mir überlegen, zu verkaufen und andere werden finden, es ist noch immer günstig genug, um zu kaufen. Es kann also nie eine Goldknappheit geben. Eines der größten Missverständnisse im Goldsektor ist die Überbewertung der jährlichen Goldförderung. Die ist aber irrelevant für die Preisfindung. Es kommen jedes Jahr nur 1,5 Prozent dazu. Die natürliche Inflationierung ist viel, viel kleiner als die der Notenbankbilanzen. Die Bilanz der Bank of England ist um mehr als 300 Prozent angewachsen seit Ausbruch der Krise. Dass es bei Gold keine Inflation gibt, schafft Vertrauen – es kann nicht im nächsten Jahr plötzlich 15 oder 20 Prozent mehr Gold geben. Gold wird aber auch nicht konsumiert und das ist etwas, was die vielen Goldkritiker nicht verstehen. Gerade weil es nicht in der Industrie verbraucht wird, ist Gold als Währung so gut geeignet. Dass immer noch das meiste Gold vorhanden ist, das in der Geschichte gefördert wurde, ist eine der stärksten Eigenschaften von Gold.

Wie wichtig ist Asien heute bereits für den globalen Goldmarkt?

Was die physische Nachfrage betrifft, ist Asien enorm wichtig. Im Westen wird Gold immer nur als Investment für Pessimisten und Untergangspropheten tituliert. Das ist meiner Meinung nach komplett falsch. Gold wird in Asien aufgrund einer tiefen kulturellen und historischen Affinität gekauft – es hat dort einen ganz anderen Stellenwert. Für die indische Braut ist Gold immer die Mitgift – und gleichzeitig eine Versicherung. In Indien gibt es 21 Wörter für Gold. Und: Die verfügbaren Einkommen sind in China und Indien in den letzten Jahren fast so stark gestiegen wie der Goldpreis. Man kann also sagen, dass Gold für Inder und Chinesen nicht teurer geworden ist.

Glauben Sie, dass ein Inder oder ein Chinese sich jeden Tag fragt, wo der Goldpreis steht?

Nein, eher: Wie viel Gold habe ich und wie viel kann ich noch kaufen? Vielleicht werden wir auch irgendwann nicht mehr den Preis von Gold, sondern den Preis in Gold errechnen. Das Entscheidende bei physischem Gold ist, dass es pures Eigentum bedeutet. Es gibt kein Gegenparteirisiko. Es hängt kein Versprechen daran. Auch bei Terminkontrakten ist das nicht gegeben, weil sie als Käufer darauf angewiesen sind, dass der Verkäufer den Vertrag einhält und auch liefern kann.

Aber woher kommt dann die durchaus hartnäckige Skepsis gegenüber Gold in der westlichen Welt?

Wir hatten einen 20-jährigen Bärenmarkt. Wenige haben den letzten großen Bullenmarkt noch aktiv miterlebt. Vertrauen baut sich eben nur sehr langsam auf. Seit ich mich mit Gold beschäftige, höre ich immer wieder von Kollegen und Bekannten: Naja, jetzt kauf ich Gold nicht mehr, jetzt ist es schon zu teuer. Und wenn der Preis fällt, heißt es: Naja, jetzt kaufe ich kein Gold, jetzt geht es bergab, jetzt ist der Trend vorbei.

Also ist Gold heute noch gar kein Massenphänomen?

Nein, ganz und gar nicht. Gold ist immer noch eine exklusive Privatveranstaltung. Der durchschnittliche Deutsche hat rund 3,6 Prozent seines Vermögens in Gold investiert – und da ist der Schmuck inkludiert! In Österreich dürfte das ähnlich sein, aber im Rest der westlichen Welt gibt es bis heute kaum eine Gold-Affinität. Die Deutschen kaufen mehr als viermal so viel Gold wie die Franzosen. Kann sein, dass das etwas mit der Hyperinflations-Vergangenheit zu tun hat. Wenn Sie in den USA in eine Bank gehen und Gold kaufen wollen, wird man sie nur ungläubig anschauen.

Ronald Stöferle (31)
hat Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft an der WU Wien und der University of Illinois in Urbana-Champaign studiert. Während des Studiums arbeitete er für die Raiffeisen Zentralbank (RZB).

Gold, Silber, Öl, Gas
Nach dem Studium wechselte Stöferle zur Erste Group, wo er seit 2006 für den jährlichen Goldreport zuständig ist. Der Report mit dem bezeichnenden Titel „In Gold We Trust“ gilt mittlerweile international als Standardwerk in der Branche. Seit 2009 schreibt Stöferle auch den „Öl-Report“ der Erste Group. Er ist außerdem als Analyst für die Themen Silber und Gas zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2012)

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