Ukraine: "Das ist eine direkte Invasion Russlands"

2.000 Tonnen Wasser, Babynahrung und andere Hilfsgüter sind auf dem Weg in die Ostukraine.
2.000 Tonnen Wasser, Babynahrung und andere Hilfsgüter sind auf dem Weg in die Ostukraine.(c) APA/EPA/STRINGER (STRINGER)
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Nach tagelangem Tauziehen fuhren erste Lastwagen des russischen Hilfskonvois in die Ukraine - ohne Erlaubnis der ukrainischen Regierung.

Unter scharfem Protest der Regierung in Kiew ist der russische Hilfskonvoi am Freitag über die Grenze in die Ostukraine gerollt. "Alle 280 Lastwagen sind auf die ukrainische Seite gefahren", teilte die russische Zollverwaltung am Nachmittag mit. Die ersten Lastwagen trafen am Nachmittag nach Angaben der Separatisten in der umkämpften Stadt Luhansk (Lugansk) ein. Wütende Kritik kam aus Kiew.

"Das ist eine direkte Invasion", kritisierte der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf Moskau einen Bruch des Völkerrechts vor und Außenminister Pawel Klimkin kritisierte den "aggressiven Charakter" des russischen Vorgehens. Auch der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kritisiert, die Regierung in Moskau könne nicht akzeptieren, dass die Ukraine den Kurs einer stärkeren europäischen Integration eingeschlagen habe.

Honorarkonsul Litauens in Lugansk getötet

In der Ostukraine ist nach Angaben des litauischen Außenministers ein diplomatischer Vertreter Litauens von Rebellen getötet worden. Der litauische Honorarkonsul im östlichen Lugansk sei "von Terroristen gekidnappt und brutal getötet" worden, schrieb Außenminister Linas Linkevicius am Freitag auf seinem Profil im Internetdienst Twitter, während er sich in Kiew aufhielt.

Er sei "in tiefer Trauer" angesichts der Nachricht vom Tod von Mykola Zelenec, schrieb Linkevicius. Es blieb zunächst unklar, wann und wo genau der Honorarkonsul verschleppt und getötet worden sein soll.

"Russland hat beschlossen zu handeln"

Die EU verurteilte unterdessen die nicht genehmigte Grenzüberquerung scharf. Moskau habe sich eine "eindeutige Verletzung der ukrainischen Grenze" zuschulden kommen lassen und müsse "diese Entscheidung rückgängig machen", sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.

"Wir ertragen die offenen Lügen und die Weigerung, eine Einigung zu erzielen, nicht länger - Russland hat beschlossen zu handeln", hatte zuvor in der Früh das Außenministerium in Moskau erklärt. Nach wochenlangem Streit werde man nicht länger auf das Einverständnis des Roten Kreuzes und der Regierung in Kiew warten. Der umstrittene Hilfskonvoi setzte sich daraufhin in Bewegung. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in Moskau, dass Staatschef Wladimir Putin Kenntnis vom Start des Konvois gehabt habe.

Kein Strom, kein Wasser

Nach dem Passieren der Grenze, die in Hand der Separatisten ist, fuhren die Lkw in Richtung Luhansk. Die Großstadt mit mehr als 200.000 Einwohnern ist nach Darstellung der örtlichen Behörden seit fast drei Wochen ohne Strom und Wasser. Die militanten Gruppen richteten Medien zufolge mehrere Stellen für die Verteilung der Hilfsgüter ein.

Russland hatte ursprünglich eingewilligt, die Leitung des Konvois dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zu übergeben. Das IKRK wollte aber nicht ohne Sicherheitsgarantien der Ukraine losfahren. Die Führung in Kiew verweigerte Garantien mit Hinweis darauf, dass das Gebiet zwischen der Grenze und Luhansk von Aufständischen kontrolliert werde.

Region von der Versorgung abgeschnitten

Die Kolonne mit rund 2000 Tonnen Lebensmitteln war am 12. August in Moskau losgefahren und war danach tagelang an der Grenze gestanden. Von ukrainischer Seite war anfangs der Verdacht geäußert worden, in den Lastwagen könnten auch Waffen für die Separatisten versteckt sein. Nach russischen Angaben haben die Lastwagen Wasser, Babynahrung und ähnliche Güter geladen.

Wegen der Kämpfe zwischen der Armee und prorussischen Separatisten sind die Gebiete um die Rebellenhochburgen Luhansk und Donezk von der Versorgung abgeschnitten. So gibt in der Provinzmetropole Luhansk mit einstmals gut 400.000 Einwohnern seit drei Wochen kein Wasser mehr und nur noch unregelmäßig Strom. Täglich versuchen Hunderte Menschen, die Stadt zu verlassen. Dabei kommt es immer wieder zu Angriffen auf Flüchtlingskonvois, für die sich die beiden Konfliktparteien gegenseitig die Verantwortung zuweisen.

Merkel reist in die Ukraine

Die Eskalation des Konflikts dürfte auch die Reise der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Kiew überschatten. Sie will damit ein Zeichen der Unterstützung für die von Russland bedrängte Ukraine setzen, hieß es. Merkel reist erstmals seit Beginn der Krise Ende 2013 in die Ukraine. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert erwägt die Bundesregierung weitere Hilfen für das Land. Außenminister Pawel Klimkin hatte sich zuvor im ZDF in Anspielung auf das US-Programm zum Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg (Marshall-Plan) für einen "Merkel-Plan" und Hilfen der EU ausgesprochen.

Der Sicherheitsrat in Kiew bestätigte am Freitag den Abschuss eines Kampfhubschraubers vom Typ Mi-24 durch die Aufständischen. Dabei sei am Mittwoch die Besatzung ums Leben gekommen. In der ukrainischen Großstadt Donezk wurde nach Informationen des Stadtrats weiter heftig gekämpft. Beim Beschuss eines mehrstöckigen Hauses wurden demnach zwei Kinder getötet. Die Kuppel einer Moschee wurde zudem von Geschossen beschädigt.

(APA/dpa)

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