Arbeitsmarkt: Vom Arbeitslosen zum Unternehmer

THEMENBILD: ARBEITSMARKTSERVICE AMS / ARBEITSLOSENZAHLEN /ARBEITSLOSE
THEMENBILD: ARBEITSMARKTSERVICE AMS / ARBEITSLOSENZAHLEN /ARBEITSLOSE(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Das AMS unterstützt seit zehn Jahren Arbeitslose beim Weg in die Selbstständigkeit. Etwa zwei Drittel überleben die ersten drei Jahre. Das ist kein schlechter Schnitt.

Wien. Was macht ein Verleger, dessen Verlag gerade zugesperrt hat? Alles, nur keinen Verlag gründen, würde man meinen. „Langenscheidt hatte zum Schluss astronomische Einbrüche“, sagt dessen ehemaliger Geschäftsführer Harald Knill. 2009 bedeutete das, dass die österreichische Dependence des Sprachlehr- und Wörterbuchverlages (Duden) vom deutschen Mutterhaus eingestampft wurde. Knill war mit einem Schlag arbeitslos. Und hat dann genau das gemacht, was sich sonst zur Zeit niemand in der Branche traut: einen neuen Verlag gegründet.

Der Germanist hat viele Jahre Erfahrung in der Branche gesammelt, war Buchhändler, hat für Schulbuchverlage gearbeitet, war Lektor im Belletristik-Bereich. Und er hat Expertisen im Digital-Vertrieb, etwa ein Softwareprojekt für eine interaktive Sprach-App, mitgestaltet. Mit „New Academic Press“ hat Knill vor zwei Jahren einen Verlag gegründet, der sich auf Publikationen von Geisteswissenschaftlern spezialisiert. Eine absolute Nische, die nur wenige Verlage abdecken, denn vielen jungen Wissenschaftlern in den Orchideenfächern fehlt das Geld zum Publizieren.

75 Prozent überleben drei Jahre

Knill entwickelte mit seinem Kompagnon Peter Sachrtschenko eine Software, die die Publikationskosten senkt. Deshalb kann der Verlag den Wissenschaftlern günstigere Preise anbieten als die großen Verlagshäuser.

„Das Problem der großen Verlage ist, dass sie eine teure Infrastruktur aufgebaut haben – noch in Zeiten, in denen das Geschäft besser lief – die aber jetzt nicht mehr zu bezahlen ist“, sagt Knill. „Hier kommen wir ins Spiel, wir sind wendiger und haben eine passgenau zugeschnittene Software.“

Das ist eine der Erfolgsgeschichten, die das Arbeitsmarktservice (AMS) am Freitag in Wien präsentierte. Anlass war eine Bestandsaufnahme des Gründerprogrammes, das Arbeitslose beim Schritt in die Selbstständigkeit unterstützt. Die Bilanz fällt positiv aus: 14 Prozent aller Unternehmen werden von ehemals Arbeitslosen gegründet, wie das Institut L&R Sozialforschung herausfand. Die Überlebensquote dieser Unternehmen nach drei Jahren liegt mit 75 Prozent sogar leicht über dem allgemeinen Durchschnitt von 74 Prozent. Nach fünf Jahren sind es noch 64 Prozent (Schnitt: 62 Prozent).

Das Programm richtet sich an Arbeitslose, die schon eine konkrete Geschäftsidee haben. Typische Gründer sind im Schnitt 38 Jahre alt und haben eine Lehre oder mittlere Schule absolviert. Drei Viertel hatten bereits vor der Gründung direkte Branchenerfahrung – wie Harald Knill.

Das AMS stellt den Gründern einen Unternehmensberater zu Seite und ermöglicht Weiterbildungen. Die Gründer beziehen sechs Monate lang weiterhin Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

Wenig Langzeitarbeitslose

Die Vorzeige-Unternehmer des AMS zeichnen sich allerdings alle dadurch aus, dass sie eigentlich fast nahtlos vom Ende ihres Angestelltenjobs zum Gründen übergegangen sind. Wie etwa Thomas Dölzl und Walter Schwendtbauer, zwei gelernte Tischler und Gründer der Möbelbörse, eines Outlets für gebrauchte Möbel. Das Unternehmen gibt es seit 2007, mittlerweile gibt es zwei Filialstandorte in Wien und vier Angestellte. Dölzl und Schwendtbauer haben davor beim Möbelhaus Lutz gearbeitet, im Verkauf und in der Montage. Sie haben aus freien Stücken gekündigt.

„Ich habe in diesem Job keine Perspektiven gesehen“, sagt Dölzl. Mit der Entscheidung, zu kündigen, sei schon die Idee da gewesen, sich selbstständig zu machen. „Arbeitslos war ich dann nur einen Monat“, sagt Dölzl. Nicht gerade Fall eines schwer vermittelbaren Arbeitslosen also.

Es sind nur die Motivierten, die vom AMS unterstützt werden. Bevor sie ins Gründerprogramm kommen, wird die Geschäftsidee genau geprüft. Langzeitarbeitslose finden den Weg in die Selbstständigkeit seltener. Nur rund ein Fünftel (21,5 Prozent) der Gründer war davor über ein Jahr arbeitslos. (es)

AUF EINEN BLICK

Gründerprogramm. Das Arbeitsmarktservice (AMS) unterstützt Arbeitslose bei ihren Gründungsvorhaben. In den ersten sechs Monaten der Gründung beziehen sie weiter Arbeitslosengeld bzw. Notstandsbeihilfe. Außerdem bekommt jeder Gründer einen Unternehmensberater zur Seite gestellt. 74 Prozent der Unternehmen überleben die ersten drei Jahre, das ist um ein Prozent mehr als der allgemeine Schnitt. Nur jeder Fünfte der AMS-Gründer war davor langzeitarbeitslos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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