Regenlaune: Wofür wir den Nichtsommer lieben

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Saison für Optimisten. Keine Sonne, kein schöner Sommer? Alle jammern derzeit über das schlechte Wetter. Die Statistik rechtfertigt die Klagen zwar nicht, trotzdem haben wir zehn Argumente für bessere Regenlaune gesammelt.

Der Mensch hat einen Hang zum Kurzzeitgedächtnis. Das zumindest sagen Meteorologen. War der vergangene Sommer sehr heiß (und das war der Sommer, vor allem der Juli 2013), dann erscheint der darauf folgende automatisch weniger perfekt. Statistisch gesehen war der Sommer 2014 aber gar nicht so übel: Der Juni war überdurchschnittlich sonnig, der Juli heiß (wenn auch nass), der August war bisher warm, wenn auch im Westen zu wenig sonnig. Trotzdem, die letzten Wochen fühlten sich für viele wie ein „Nichtsommer“ an. Johanna Oberzaucher, Meteorologin an der ZAMG weiß, warum dieser Eindruck entsteht: „Wir hatten heuer kaum stabile Hochdruckwetterlagen.“ Aber auch ein getrübter Sommer hat seine angenehmen Seiten – hier zehn davon:

1. Lästige Nervtöter: Weniger Wespen und Gelsen

Für Saligarophobiker war dieser Sommer kein leichter. Wer Angst vor Schnecken hat, muss in den vergangenen, feuchten Wochen gelitten haben. Barfuß gehen im regennassen Gras wurde zu einer glitschigen Angelegenheit. Auch die Stachelbeer- und Paradeiserpflanzen litten unter den gierigen Bauchfüßern, die ihre Blätter löchrig frassen. Dafür waren andere lästige Nervtöter deutlich in der Minderzahl. Die Gelsen, die es zwar feucht, aber auch warm mögen, waren im heißen Juni zwar noch sehr aktiv, aber seit es Abend für Abend regnet, sind sie seltener geworden. Und die Wespen, die lästigsten Spätbesucher des Sommers, machen sich heuer überhaupt rar. Was ein Mittagessen im Freien, so es einmal nicht regnet, ohne mühsames Wespen-Fallen aufstellen möglich macht.

2. Kühlere Tage bringen angenehmere Nächte

Folgt man der Statistik, lagen die Temperaturen in diesem Sommer im langjährigen Mittel. In der Wiener City wurden im Juni drei, im Juli zwölf und im August vier Tropennächte (Temperaturen sinken nicht unter 20 Grad) gemessen. Dank des ständigen Regens erschienen einem die Nächte dennoch kühler – und das ist bekanntlich gesünder für den Schlaf. Wetterfühlige Menschen litten allerdings unter der Schwüle. Noch ein Vorteil des nicht ganz so heißen Wetters: Die Gefahr für Kohlenmonoxidunfälle sinkt. Denn die Einsatzkräfte verzeichnen vor allem bei hohen Außentemperaturen einen deutlichen Anstieg von Kohlenmonoxideinsätzen. Durch hohe Temperaturen (und zu wenig Lüftung) kann es dazu kommen, dass Abgase im Kamin nicht richtig abziehen können und in die Wohnung strömen.

3. Weniger Sonne: Allergiker und Empfindliche sagen Danke

Madonna kann nicht irren. In den vergangenen Sommern zeigten Fotos die Pop-Ikone immer umfassend verhüllt. Auch beim Baden. Denn Sonne, das ist bekannt, ist nur in überschaubaren Maßen wichtig (Vitamin D) für die Haut. Richtig schlimm ist ein durchgehend wolkenloser Hitzehimmel jedoch für sonnenempfindliche und sonnenallergische Menschen. Die Freiluftzone wird zur Kampfzone, die man nur bewaffnet (mit Sonnencreme aus der Apotheke und merkwürdig großen Hüten) betritt. Das macht einen entweder zu einem einzelgängerischen Sonderling auf Zeit – oder zum routinierten Schottland-Urlauber.

4. Schlechtes Wetter ist gutes Wetter, um zu arbeiten

Statt sich zu kränken, weil man im Büro sitzt, während alle anderen im Bad sind, hat man beim Blick durch regennasse Scheiben die Gewissheit, absolut nichts zu versäumen. Und nicht nur das: Jeder Regentag im Büro ist Anlass zur Freude. Denn er zahlt auf das persönliche „Schönwetterkonto“ ein, dessen (nicht ganz perfekte) Logik besagt: Je mehr Schlechtwettertage ich im Büro verbringe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne scheint, wenn ich Urlaub habe. Oder um es im Marketingsprech der Supermarktketten zu formulieren: Für jeden Regentag im Büro gibt es einen Sonnenbonuspunkt für den Urlaub.

5. Ein milder Sommer macht einen guten Wein

Ein heißer Sommer wäre für die heimischen Winzer nach diesem milden und niederschlagsarmen Winter eine Katastrophe geworden. Und auch für die Weintrinker, denn ein milder Sommer ist gut für Säure, und diese braucht jeder Wein, der etwas auf sich hält. „Säure belebt den Wein, gibt ihm Frische und eine Note; ohne Säure wird er fad und seifig“, sagt etwa Matthias Siess, Wein-Burgenland-Obmann und Winzer. Und die jetzige, sommeruntypische Witterung kommt der Säure gerade recht. Das Weinjahr dürfte also ein gutes werden. Und: Es war auch ein guter Weinsommer, denn Wein schmeckt bei milden bis kühlen Temperaturen doch besser als bei heißem Badewetter.

6. Verregnete Sommerabende eignen sich perfekt für Kinobesuche

Fallen im verregneten Sommer Grillabende, Biergartenbesuche und Terrassenpartys ins Wasser, ist der Kinosaal oft die perfekte Alternative – man kann sich im Trockenen einen Film ansehen und muss dabei keine Sorge haben, einen lauen Sommerabend (inklusive Sternenhimmel) zu verpassen. Der Juni, Juli und August sind traditionell Blockbustermonate. Dennoch zeichnet sich heuer in Österreichs Kinos ein Umsatzrückgang von rund sieben Prozent ab. Wie das trotz des – für Kinos katastrophalen– Jahrhundertsommers im vergangenen Jahr möglich ist? Die Fußball-WM ist schuld.

7. Kein Figurstress: Angezogen sehen wir besser aus

Wenig Sonne heißt wenig nackte Haut. Und das kann eine große Erleichterung sein. Für manche, weil es ihnen den Schönheitsstress erspart: Badehosen verlangen einen flachen Bauch, und kurze Röcke sehen nur mit glatten Schenkeln und makellos enthaarten Waden gut aus. Wer Cellulitegrübchen oder eine butterweiche Mitte hat, ist nicht unfroh, wenn man vorzeitig wieder die langen Hosen hervorholen kann. Auch für strenge Ästheten ist das kühle Wetter eine Wohltat. Keine verschwitzten Achseln, keine Bauchfrei-Ansichten in der U-Bahn, die man lieber nicht gesehen hätte.

8. Immer frei: Ein Platz im Bad und auf der Liegewiese

Man kann auch im Nieselregen in den Wörther- oder Attersee hüpfen und bei bedecktem Himmel ins Schwimmbad gehen. Der Vorteil: Es gibt kein Gedränge auf dem Steg (nur die Rutschgefahr ist größer!) oder auf der Liegewiese. Und wer sich an die Keine-schlechte-Kleidung-Regel hält, kann auch bei kühlen 16 Grad und Wolkendecke im Liegestuhl lesen. Badbesuche vor oder bei einem Gewitter haben zudem etwas Abenteuerlich-Gemütliches.

9. Sportwetter: Im Regen wandern, statt in der Sonne zu liegen

Auch wenn das Schwimmen zu kurz kommen sollte, so motiviert ein Wolkenhimmel doch zu (mehr) Bewegung: Man muss mit dem Wandern nicht auf den Herbst warten, und auch die Joggingrunde oder die Yogastunde fällt einem leichter. Wenn man jedoch an Punkt 7 denkt, könnte man sagen: Das Wetter hat Sinn für Ironie.

10. Ein verpatzter Sommer macht einen schönen Herbst

Der meteorologische Herbst beginnt in einer Woche, und zwar am 1. September (der astronomische startet erst am 21.). Dass sich der Sommer nun schön langsam dem Ende zuneigt, scheint heuer nicht so viele Menschen zu stören. Und das liegt eben auch daran, dass er nicht so viele strahlend schöne Tage bereithielt. Dafür ist die Vorfreude auf einen richtigen Altweibersommer und einen mild-trockenen Herbst jetzt umso größer. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass man Anfang Oktober doch noch eventuell im T-Shirt in der Sonne sitzen kann – und sich, siehe Punkt 3, doch noch einen Sonnenbrand holt. (awa/uw/ks/kb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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