Ein Roboter auf Schwarzmarkt-Shoppingtour

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Ein Computerprogramm bestellte für eine Ausstellung nach dem Zufallsprinzip Waren aus dem Darknet, dem versteckten Teil des Internets. Da auch Ecstasy geliefert wurde, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft.

In der Kunst-Halle St.Gallen wurden in den vergangenen Monaten einige Pakete abgeliefert. Sie enthielten einen Feuerwehrgeneralschlüssel, Zigaretten aus Moldawien, gefälschte Diesel-Jeans aus China, eine Baseballkappe mit versteckter Kamera und die Kopie eines ungarischen Passes. Die Lieferungen kamen aus dem sogenannten Dark-net – das ist jener Teil des Internets, der von Suchmaschinen nicht erfasst wird und der unter anderem als Umschlagplatz für Waffen, Drogen und andere verbotene Gegenstände oder Dienstleistungen dient. Sie füllten Woche für Woche einen Raum der Ausstellung „The Darknet – from Memes to Onionland“. Bestellt hatte sie allerdings kein Mensch, sondern ein Roboter.

Der Bot (ein automatisiertes Computerprogramm) nennt sich The Random Darknet Shopper und wurde von der Mediengruppe Bitnik programmiert. Er ging im Rahmen der Ausstellung auf eine wöchentliche Shoppingtour im Darknet, mit einem Budget von hundert Dollar in Bitcoins bestellte er Produkte nach dem Zufallsprinzip und ließ sie in die Kunst-Halle liefern. Auf der Plattform „Agora“, die nur über die Anonymisierungssoftware Tor zugänglich ist, sind über 16.000 Waren gelistet. Man kann sich hier auch Kinderpornografie oder einen Auftragskiller bestellen. Insofern hatte die Mediengruppe Bitnik Glück: Ihr Roboter kaufte – vermutlich auch wegen des Hundert-Dollar-Limits – weitgehend harmlose Dinge. Ein Paket rief dann doch die Staatsanwaltschaft auf den Plan: Versteckt in einer DVD-Hülle kamen zehn kleine gelbe Ecstasy-Tabletten mit eingeprägtem Twitter-Logo in der Kunst-Halle an.

Ermittlung gegen unbekannt

Einen Tag nach Ende der Ausstellung beschlagnahmte die Polizei die Pillen und – weil die Ausstellung schon verpackt war – auch gleich alle anderen Exponate, die der Dark-net Shopper erworben hatte. Man habe die Tabletten sicherstellen wollen, um eine Drittgefährdung auszuschließen, erklärt Andreas Baumann von der Staatsanwaltschaft St. Gallen der „Presse“. Weit hatten es die Beamten übrigens nicht: Die Stadtpolizei liegt gleich gegenüber der Kunst-Halle.

Verbotene Gegenstände wurden in der Vergangenheit immer wieder aus Museen entfernt. 2002 wurden bei einer Ausstellung über die „Welt der Spionage“ in Hannover Waffen gezeigt, die als Gegenstände des täglichen Gebrauchs getarnt waren. Da der Besitz solcher Waffen gegen das Gesetz verstoßen hatte, beschlagnahmte die Polizei die Exponate. 1998 zeigte das Steuer- und Zollmuseum in Rotterdam Viagrapillen, die zuvor auf dem Flughafen beschlagnahmt worden waren – damals war das Potenzmittel in den Niederlanden noch nicht zugelassen. Nach der Ausstellung mussten die Pillen vernichtet werden.

Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo von der Mediengruppe Bitnik sehen die Beschlagnahmung der Darknet-Waren als „ungerechtfertigten Eingriff in die Kunstfreiheit“ und fordern die Exponate zurück. Der Einsatz der Behörden wirft hier aber auch eine weitere Frage auf: Wer haftet, wenn ein Roboter selbstständig eine Straftat begeht? Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Moment gegen unbekannt. Die Besitzer der Drogen, ergo die Künstler, seien natürlich bekannt, so Baumann, doch ging es den Behörden nicht darum, jemanden zu bestrafen. Man wollte die Tabletten aus dem Verkehr ziehen. Baumann schätzt, dass das Bestellen der Drogen unter die Kunstfreiheit fallen wird. Könne man erwarten, dass die Künstler das Ecstasy zurückbekommen? „Ich denke nicht.“

Dabei muss erst geklärt werden, ob es sich bei den gelben Pillen wirklich um Ecstasy handelt. Ein Indiz deutet jedenfalls darauf hin: Der Verkäufer auf „Agora“ hatte exzellente Nutzerbewertungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2015)

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