Colin Firth: „Alles ist schwierig zu spielen“

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Oscar-Preisträger Colin Firth über seinen neuen Film „Kingsmen: The Secret Service“ und was ihn wirklich begeistert hat: die Maßanzugskollektion.

Jahrelang war Colin Firth der Mann in der zweiten Reihe. Ob in Komödien wie „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ oder im historischen Liebesfilm „Shakespeare in Love“, als Nebendarsteller wurde er zwar von Kritikern stets als besonders facettenreich gelobt. Doch außerhalb Großbritanniens blieb der groß gewachsene Schauspieler eher ein Geheimtipp. Das änderte sich schlagartig mit seiner ersten Oscar-Nominierung für Tom Fords „A Single Man“. Die begehrte Trophäe erhielt er ein Jahr später für das Historiendrama „The King’s Speech“. Seitdem gehört der 54-jährige Brite zu den gefragtesten Schauspielern seiner Generation. In der Agentenkomödie „Kingsman: The Secret Service“ spielt Colin Firth nun einen Geheimagenten alter Schule.

Wollten Sie auch endlich eine Waffe in der Hand halten, oder warum haben Sie sich an diesem Punkt Ihrer Karriere ausgerechnet für diesen Film entschieden?
Weil ich jetzt gefragt wurde, ob ich mitmachen möchte. Und ich dachte: Das klingt interessant. Es war aber nicht so, dass da eine innere Uhr in mir tickte, nach dem Motto: Jetzt ist endlich Zeit für Action. Ich habe nicht aktiv danach gesucht.


Was ist wichtig, wenn man jemanden vor der Kamera k. o. schlägt?
Die Entschlossenheit. Du kannst alle Bewegungen richtig machen und trotzdem erzählt mir der Trainer am Ende: „Ich glaube dir nicht, dass du diesen Typen fertigmachen willst. Der Ausdruck in deinen Bewegungen und in deinem Gesicht erzählt mir keine Geschichte.“ Auch in den Stunts muss ich eine Geschichte erzählen. Und die lautet in diesem Fall: Ich will dich umbringen.


Wie haben Sie die Actionszenen überlebt?
Es ist eigenartig. Jeder scheint davon auszugehen, dass es für mich besonders anstrengend war. Ich kann Ihnen versichern, es war ein hartes Stück Arbeit. Trotzdem hat es mir Spaß gemacht. Früher habe ich nicht viel Sport getrieben. Als junger Mann war ich alles andere als ein Athlet. Sport war nicht meine Sache. Sonntags habe ich manchmal Fußball mit Freunden gespielt. Aber ich war ziemlich schlecht.


Wie haben Sie Ihren inneren Schweinehund überwunden?
Ich hatte ein ganzes Team, das mich trainiert hat, damit ich überhaupt körperlich in der Lage war, die Anforderungen zu erfüllen. Die Choreografie der einzelnen Szenen konnten wir leider nicht trainieren, denn die war erst kurz vor Drehbeginn ausgearbeitet. Wie sich herausstellte, musste ich beinahe alle Actionszenen im Film selbst spielen. Über einen Zeitraum von sechs Monaten habe ich jeden einzelnen Tag trainiert, drei Stunden lang. Sogar als ich den Woody-Allen-Film in Frankreich gedreht habe, ist mir der Trainer nachgereist: Ich musste jeden Morgen um sechs Uhr aufstehen und eineinhalb Stunden schuften. Es gab kein Erbarmen.


Irgendwann haben Sie doch sicher gedacht, das war eine blöde Idee, oder?
Die Zweifel hatte ich vor allem im ersten Monat. Da habe ich Teile meines Körpers gespürt, die ich normalerweise gar nicht benutze. Normalerweise sitzen wir nicht in der Hocke. Männer in meinem Alter benutzen ihren Körper eigentlich doch nur noch sehr eingeschränkt: Wir erheben uns aus unseren Sesseln, um in unsere Autos einzusteigen und dort zu sitzen. Und selbst wenn diese Männer widerwillig Gewichte heben, dann kümmern sie sich nur um ihren Oberkörper, also Bizeps und Sixpacks, und vernachlässigen den Rest. Wir machen uns keine Sorgen um Cellulitis. Aber hier ging es um meine Kernmuskulatur, und die zu trainieren war wirklich quälend und schmerzhaft.


Entschuldigen Sie die naive Frage, aber wozu brauchten Sie die?
Ich musste lernen, meine Gegner über den Boden zu wälzen und durch die Gegend zu werfen. Das hat wehgetan. Am Anfang hatte ich Zweifel, ob ich das überhaupt hinkriege. Das lag auch daran, dass meine Trainingspartner einschüchternd auf mich gewirkt haben. Sie sind alle hochdekoriert in ihren Sportarten, zum Beispiel war da ein Turner, der bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewonnen hat, oder ein sechsfacher Thai-Box-Champion. Der Trainer von Jackie Chan hat mir tatsächlich auch Stunden gegeben, und Spezialeinsatzkräfte der Armee haben mir gezeigt, wie ich mich in Actionszenen mit einer Waffe bewegen muss.


Haben Sie da etwas fürs Leben gelernt?
Na ja, ein bisschen mehr über Waffen weiß ich zwar, aber ich habe nie gelernt, wie man sie richtig handhabt. Das hat mich ehrlich gesagt auch nie interessiert. Dieser Typ Mann bin ich nicht. Ich stehe nicht so wirklich auf Handfeuerwaffen. 


Sie wären also im wahren Leben kein geeigneter Geheimdienstmann?
Bisher hat noch kein Geheimdienst versucht, mich anzuwerben. Und ich wäre ja auch ein ziemlich schlechter Agent, wenn ich Ihnen das jetzt erzählen würde.


Inspiriert von der Figur, die Sie in „Kingsman“ spielen, wird eine Männer-Mode-Linie auf den Markt kommen. Ist das reines Marketing, oder kann man die Kollektion tatsächlich tragen?
Die Kollektion ist großartig! Die einzelnen Stücke sind wunderbar gearbeitet. Das sind Sachen, die ich auf jeden Fall auch privat tragen würde. Die Stücke sind unglaublich stringent und präzise gearbeitet. Und es war faszinierend, das mitzuerleben.


So habe ich Sie in diesem ganzen Interview noch nicht schwärmen gehört.
Meine Schuhe wurden maßgefertigt. Ein Schneider war nur für meine Hemden zuständig. Wie bei den meisten Menschen sind auch meine Arme unterschiedlich lang. Das hat er bei der Herstellung der Hemden berücksichtigt. Die Schultern sitzen auf den Millimeter genau. Bei jeder Anprobe waren zehn Schneider zugegen. Sie haben unglaubliches Material verwendet. Ich finde, die Arbeit ist künstlerisch überzeugend. Die Anzüge sind wunderbar, sie spielen eine eigene Rolle in der Geschichte des Films. 


In welche Richtung geht es stilistisch?
Die Anzüge sind alle Zweireiher. Das müssen sie auch sein, damit sie kugelsicher sind. Kleiner Scherz.


Da Sie einen Agenten mit Lizenz zum Töten spielen: Wer ist Ihr Lieblings-Bond?
Das hört sich jetzt nach einer sehr langweiligen Antwort an, um auf der sicheren Seite zu bleiben. Aber ich mag wirklich alle James-Bond-Darsteller. Denn ich habe meine Meinung im Laufe der Zeit ein paar Mal geändert. Daniel Craig finde ich fantastisch, weil es so einen Bond noch nie gegeben hat. Und es würde mir gar nicht gefallen, wenn es da einen Wechsel geben sollte. Als Pierce Brosnan die Rolle spielte, war er mein Favorit. Mir gefiel, dass er Selbstironie hatte.


Schluss mit der Diplomatie – Sie müssen sich jetzt für einen entscheiden.
Das täte ich nur, wenn ich dazu gezwungen werden würde. Aber dann würde meine Wahl auf Roger Moore fallen. Denn er ist der Bond-Darsteller, der sich am wenigsten ernst genommen hat. So gefällt es mir am besten. Craig ist das genaue Gegenteil, der ernsthafteste Bond, aber auch diese Version mag ich. Craig ist tough und glaubwürdig in der Rolle. Ich war schon immer ein Fan von Daniel Craig. Aber Roger Moore bringt mich am meisten zum Grinsen und bereitet mir deshalb das größte Vergnügen. 


Sie sind ein sehr erfahrener Schauspieler. Was ist immer noch schwierig für Sie zu spielen?
Alles ist schwierig zu spielen.


Wirklich?
Es gibt Kollegen, die würden sagen, es ist sehr leicht. Aber mir geht es nun einmal so, dass ich das Spielen kompliziert finde. Die Kampfszenen waren zwar körperlich anstrengend, aber irgendwie habe ich sie dann trotzdem genossen, denn immerhin waren sie eindeutig. Entweder war ich gut oder schlecht. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder hatte ich die Prügelei verloren oder gewonnen. Wenn ich zu langsam reagiert habe, wusste ich, dass ich mich das nächste Mal schneller bewegen muss. Darüber lässt sich nicht diskutieren. Das ist beim Schauspielen anders, da stochert man im Nebel herum, es ist eben nicht eindeutig. Ich denke, die Szene habe ich gut gespielt, jemand anders ist möglicherweise gegenteiliger Meinung. Wie definiert man überhaupt gut und schlecht? Die Schauspielerei ist keine Wissenschaft.


Die „Kingsmen“ erinnern an eine moderne Version der Ritter der Tafelrunde von König Arthus. Ist das nur eine romantische Idee, oder brauchen wir solche Helden im wirklichen Leben?
Es ist ein romantischer Gedanke, und das sollte er am besten auch bleiben. Denn ich glaube, im wirklichen Leben ist es keine so brillante Idee, wenn wir so eine Art übertrainierte Bürgerwehr hätten, die unsere Probleme löst. Das würde ich wirklich nicht empfehlen. Würden so ein Typ wie Harry, den ich im Film spiele, und die „Kingsmen“ tatsächlich existieren, hätte ich richtig Angst.


Sie würden im Notfall also doch lieber die Polizei rufen als Batman?
Im Kontext unseres Films haben wir nun einmal eine idealisierte Welt mit romantischen Helden kreiert, die für das Gute kämpfen. Im moralischen Universum dieses Films akzeptieren wir, dass diese Männer gut sind und dass sie nur Gutes tun, weil wir ihnen ehrenhafte Absichten zubilligen. Die reale Welt lässt sich nun einmal nicht in Schwarz und Weiß unterteilen, sie ist ambivalenter und damit grauer. Sosehr ich auch Regierungsorganisationen misstraue, glaube ich doch nicht, dass geheime Organisationen zwangsläufig vertrauenerweckender sind. Aber diese Art Film funktioniert immer nach demselben Prinzip. Ein Kopfgeldjäger ist eben nur in einem Western romantisch. Wenn man im wahren Leben einem echten Kopfgeldjäger begegnen würde, wäre man wohl weniger begeistert. Und ich möchte mir auch nicht vorstellen, dass Batman oder Spider-Man tatsächlich existieren. Ich würde diesen Typen nicht über den Weg trauen. Wir alle wären doch wohl im wahren Leben auf der Seite der Polizeichefs, die den Superhelden nicht über den Weg trauen.

Tipp

„Kingsmen: The Secret Service“ von Matthew Vaughn mit Colin Firth, Taron Egerton, Samuel L. Jackson, Michael Caine läuft am 13. März an.

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