Studie: 200.000 Österreicher neigen zu exzessivem Trinken

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200.000 Menschen neigen zu exzessivem Trinken, ergibt eine repräsentative Umfrage der GfK. Und: Die Koma-Sauf-Debatte betrifft auch Ältere.

"Ein Achterl in Ehren, kann keiner verwehren", lautet ein gängiges Sprichtwort. Und gerne werden wir daran erinnert, wenn wieder eine Studie den Vorteil von einem Achtel Rot am Tag hervorhebt. Aber die Ehre ist schnell vergessen, wenn es um Abhängigkeit und Sucht geht: Rund 200.000 Österreicher neigen zu exzessivem Trinken. Das hat eine neue repräsentative Umfrage (GfK) ergeben, die am Wochenende beim 5. Interdisziplinären Symposium zur Suchterkrankung am Grundlsee in der Steiermark präsentiert wird.

"Illegale Drogen und Glücksspiel spielen dazu im Vergleich in der Praxis eine geringere Rolle", sagte die Tagungsorganisatorin, die Wiener Expertin Gabriele Fischer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien im AKH. Das Symposium mit rund 150 Teilnehmern - vor allem Allgemeinmediziner und Psychiater erwartet werden, ebenso Fachleute aus der Justiz. Für die Umfrage hat das Marktforschungsinstitut GfK im vergangenen Jahr 4.000 Teilnehmern im Alter über 15 Jahren befragt.

Österreich trinkt mehr als der EU-Durchschnitt

OECD-Zahlen zufolge trinkt die österreichische Bevölkerung um 1,1 Liter mehr Alkohol als der EU-Durchschnitt, nämlich 12,2 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr. Die Alpenrepublik reiht sich damit im EU-Vergleich unter die Top-Drei-Nationen mit dem höchsten Alkoholkonsum und wird nur von Litauen (12,7 Liter) und Estland (12,3 Liter) überholt. Das klassische Weinland Frankreich liegt mit 11,8 Litern Alkohol pro Kopf hinter Österreich, Italien ist mit 6,1 Litern beim halben Wert Österreichs.

"Selbst wenn solche Vergleichsdaten mit Vorsicht zu genießen sind: Fakt ist jedenfalls, dass der Alkoholkonsum hierzulande hoch und in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist. Das zeigt auch unsere Studie ganz deutlich", erläuterte Rudolf Bretschneider vom GfK. So gab im Rahmen der GfK-Erhebung nur jeder Zehnte an, in den vorangegangenen zwölf Monaten nichts getrunken zu haben. 39 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen trinken Alkohol zwei bis drei Mal pro Woche oder öfter. Nur jeder Dritte konnte von sich behaupten, nur einmal im Monat zum Glas gegriffen zu haben. Umgekehrt berichteten neun Prozent, mindestens zweimal pro Monat deutlich alkoholisiert gewesen zu sein. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung über 15 wären das 650.000 Menschen.

Vor allem Männer trinken

Auch übermäßiger Alkoholkonsum ist den Studiendaten zufolge mehr als präsent: Knapp die Hälfte berichtete von Personen in ihrem Lebensumfeld, die ihrer Meinung nach zu viel trinken. Sechs Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen, die in den vorangegangenen zwölf Monaten mehrmals pro Woche Alkohol getrunken hatten, geben an, dass sie mindestens zweimal pro Woche sechs oder mehr Gläser bei einer Gelegenheit gebechert hätten.

"Auf die Bevölkerung umgelegt heißt das: 200.000 Personen praktizieren mit gewisser Regelmäßigkeit, was in Großbritannien bereits für beide Geschlechter unter 'Binge Drinking', also 'exzessives Trinken' fallen würde", so der Kommentar des Meinungsforschers. Nach Beschäftigung betrachtet sei die Gruppe der Arbeitslosen mit sieben Prozent und der un- oder angelernten Arbeiter mit sechs Prozent besonders gefährdet, exzessiv zu trinken.

Koma-Saufen: Auch Ältere tun es

Die regelmäßig aufbrechende "Koma-Saufen"-Debatte, in der vor allem Heranwachsenden und Jugendlichen der moralische "Schwarze Peter" zugespielt wird, ist laut den Umfrageergebnissen von GfK zu einem guten Teil falsch "lokalisiert". Anders als Medienberichte vielfach suggerieren, kann das exzessive Trinken laut GfK-Studie nicht primär den jüngeren Altersgruppen zugeordnet werden. "Durchschnittlich sind es drei Prozent in allen Altersgruppen, die wiederholt im genannten Ausmaß über die Stränge schlagen, die Älteren machen das aber eher im privaten Rahmen", sagt Rudolf Bretschneider.

Die Studie legt außerdem nahe, dass jüngere Menschen in Österreich seltener trinken, aber weniger kontrolliert mit Alkohol umgehen können. Nur sechs Prozent der Generation Z (15 bis 18 Jahre) sagte beispielsweise, in den letzten zwölf Monaten mehrmals pro Woche Alkohol getrunken zu haben - bei der 68er- und der Kriegsgeneration war es dagegen mehr als ein Drittel. Umgekehrt erklärte jeder zehnte 15- bis 18-Jährige und jeder fünfte 19- bis 38-Jährige, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens zwei Mal pro Monat deutliche alkoholisiert gewesen zu sein.

Experten für liberaleren Umgang mit Cannabis

Bei dem Symposium gibt es auch eine Podiumsdiskussion mit Justizexperten zum Thema "Cannabis-Therapie". Organisatorin Gabriele Fischer: "Hier geht es um die Frage, das Cannabis zum Beispiel in der Schmerztherapie kann. In Deutschland wird es ab 2016 offenbar Marihuana auf Verschreibung geben. In den USA ist es rund 20 Bundesstaaten zugelassen worden." Der breitere Zugang von Patienten, zum Beispiel Personen mit chronischen Schmerzen, in Deutschland soll auch durch die Krankenkassen ermöglicht werden.

Laut Psychiaterin Gabriele Fischer sei auch zu diskutieren, was eine Erhöhung der Grenzmengen für den Besitz von Marihuana etc. bringen könnte. Ein Großteil der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz entfällt nämlich auf den Besitz geringer Quantitäten. In Österreich konsumieren bis zu 30 Prozent der jungen Menschen zumindest hin und wieder Cannabis, so Fischer am Freitag im Ö1-"Morgenjournal". Damit gegen diese nicht sofort ermittelt wird, schlägt sie ein behutsameres Vorgehen vor. So soll künftig erst dann ermittelt werden, wenn jemand mehr als eine Grenzmenge von 5 Gramm Cannabis in Reinsubstanz besitzt. Fischer sagt, würde die Grenzmenge erhöht, würden immense Kosten im Justizbereich gespart und die Jugendlichen entkriminalisiert.

Auch der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer spricht sich für ein liberaleres Vorgehen aus. So könnten nämlich die Ressourcen der Polizei anderwertig besser eingesetzt werden. Denn es droht zwar ein halbes Jahr Haftstrafe. Bei geringen Mengen Cannabis aber wird letztlich ohnehin nicht Anklage erhoben - sondern das Verfahren meist eingestellt, sagt Birklbauer. Anstatt Ermittlungen bei geringen Mengen einzuleiten, sollen daher nur die Gesundheits- und Jugendwohlfahrtsbehörden eingeschaltet werden.

>> Bericht im Ö1-"Morgenjournal"

(APA)

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