Wenn Kampagnen in die Hose gehen

Social Media. Toben nach einer Online-Aktion Shitstorms oder Trolle statt begeisterter Fans, müssen Unternehmen rasch reagieren. Die Zusammenarbeit mit der Community ist dabei essenziell.

Als Henkel 2011 einen Facebook-Wettbewerb ausrief, um einen neuen Slogan und ein neues Design für das Spülmittel Pril zu finden, wurden 30.000 Vorschläge eingereicht. Darunter ein braunes Etikett mit einem hingekritzelten Huhn und der Aufschrift „Schmeckt lecker nach Hähnchen!“. Dieses Design machte beim Online-Voting schnell das Rennen. Henkel hingegen schmeckte das gar nicht. Das Unternehmen änderte daraufhin die Wettbewerbsbedingungen und setzte eine Jury ein, die einen anderen Sieger kürte. Die Community war empört.

Mehr Schaden als Nutzen

Der Fall von Pril zeigt, wie eine Social-Media-Aktion in die Hose gehen kann. Wer eine Kampagne plant, sollte sich vorher genau überlegen, ob ein Aufruf auch nach hinten losgehen kann. „Sämtliche Szenarien durchzudenken ist utopisch, aber natürlich überlegen wir vorab, ob eine Aktion passt oder mehr Schaden als Nutzen anrichten würde“, sagt Michael Schacherhofer. Er ist bei den ÖBB für Social Media zuständig.

Für die eigentliche Herausforderung hält Nardo Vogt von der Social-Business-Agentur Ambuzzador effizientes Krisenmanagement nach einer schiefgelaufenen Kampagne: „Unternehmen müssen so schnell wie möglich auf Unerwartetes reagieren.“ Um die Situation zu deeskalieren und nicht ganz aus der Hand zu geben, sei es ratsam, gemeinsam mit der Community eine Alternative zu suchen. Pril etwa druckte zur Versöhnung eine Sonderauflage mit dem bei den Usern ebenfalls beliebten „Rage Guy“ – einer Fratze mit aufgerissenem Maul und verdrehten Augen.

Vor zwei Jahren sorgte auch eine Kampagne von McDonald's für Aufsehen: Nachdem die Fast-Food-Kette eine Wurstsemmel abfällig mit einem ihrer Burger verglichen hatte, liefen Facebook-Nutzer und die Fleischerinnung Sturm. Der Konzern stoppte die Kampagne und entschuldigte sich. „Wir haben damals versucht, so gut wie möglich auf diese falsche Entscheidung zu reagieren und alle Fragen der User ehrlich beantwortet“, sagt Sprecherin Ursula Riegler.

Wie wichtig eine Community ist, die sich mit dem Unternehmen identifiziert, zeigt sich auch bei einzelnen Trollen. Dabei handelt es sich um Störer, die Debatten bewusst sabotieren und andere Teilnehmer provozieren. „Ist die Fangemeinde gut aufgestellt, müssen Moderatoren oft gar nicht eingreifen, weil das Innensystem der Community das Problem selbst löst und den Troll zurechtweist“, sagt Vogt. Werden Kommentare vom Unternehmen gelöscht, ist der Aufschrei häufig noch größer. „In der Regel lassen wir es einfach stehen, denn die User selbst wollen so einen Umgang nicht und fordern den Störer auf, sich zu zügeln“, bestätigt auch Schacherhofer.

Löst sich das Problem nicht von selbst, gehen Unternehmen meist nach demselben Prinzip vor: „Für Kritik muss man offen sein“, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Auch der Lebensmittelkonzern hat gelernt, mit negativen Meldungen umzugehen. „Unseren Facebook-Auftritt haben wir mit dem Start der Produktlinie ,Veggie‘ verstärkt – das hat uns viele vegetarische und vegane Fans gebracht.“ Die Rückmeldungen zu „fleischigen“ Postings seien seither häufig kritisch. „Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt und antworten auf solche Kommentare sachlich“.

Zeigen, dass man zuhört

Vogt kritisiert die schlechte Fehlerkultur in Unternehmen. Nicht jede Frage könne sofort beantwortet werden – lügen oder gar nicht zu antworten seien die denkbar schlechtesten Reaktionen: „Man darf als Unternehmen auch schreiben ,wissen wir gerade nicht, aber wir finden es heraus‘. Wichtig ist, dass die User merken, dass ihnen jemand zuhört.“

AUF EINEN BLICK

Was tun bei Shitstorms:

► Stellungnahme: Um zu zeigen, dass man das Problem kennt, ist ein schnelles und faktenbasiertes Statement wichtig.

► Verhaltensregeln für Mitarbeiter: Sie sind Markenbotschafter und müssen vollständig miteinbezogen werden.

► Krisenkategorisierung: Um handeln und die entstehende Diskussion moderieren zu können, muss der Grund für das Problem gefunden werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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