Playbrush: Die Zahnbürste als Gamecontroller

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das österreichisch-britische Start-up Playbrush schafft es, dass Kindern das Zähneputzen Spaß macht. Bioblo hat den ersten Bauklotz in Wabenform entwickelt. Und aus den Bauteilen von Mingo lassen sich 16 Fahrzeuge zusammenbauen.

Täglich spielen sich in den Badezimmern kleine Dramen ab, wenn es ums Zähneputzen geht. Kinder finden das Putzen langweilig, putzen meistens nicht lang und nicht gründlich genug und finden täglich neue Ausflüchte. Bedrohungen wie Karies werden schließlich eher als abstrakt empfunden. Und die Milchzähne fallen sowieso wieder aus, wieso also putzen?

Bis auf bunte oder blinkende Zahnbürsten und fruchtig schmeckende Zahnpasten hat sich die Industrie bisher wenig zu diesem Thema einfallen lassen. Dem will ein österreichisch-britisches Start-up nun Abhilfe leisten und mit Playbrush ein Produkt auf den Markt bringen, das mit positiver Motivation arbeitet.

„Der Ausgangspunkt war meine frühere, eigene Zahnputzunwilligkeit – und jene von meinem Patenkind“, sagt Playbrush-Gründer Paul Varga, der am University College London (UCL) Biotechnologie studiert und dann in der Londoner Unternehmerschmiede General Assembly einen Fokus auf Tech-Entrepreneurship belegt hat – inklusive Codingkurs. Das ganze, bunt zusammengewürfelte Gründerteam – zwei Wiener, ein Nigerianer – hat diesen Softwarefokus – denn ihr Produkt ist eine Kombination aus Hard- und Software.


Zahnbürste als Gamecontroller.Playbrush funktioniert so: Auf den Griff einer ganz normalen Zahnbürste wird ein Teil gesteckt, das mit einer App für Smartphone oder Tablet verbunden ist. Der Putzvorgang ist dann quasi die Steuerfunktion für ein Computerspiel. Die Figur im Spiel – in der ersten Version ist es ein Löwe, es soll aber in Zukunft mehrere Charaktere, Welten und Levels geben – wird durch die Putzbewegungen des Kindes gesteuert. Putzt das Kind richtig, dann hält der Löwe seinen Kurs und kann Bonuspunkte absahnen, hört es auf oder putzt zu schnell, zu langsam oder zu lang an einer Stelle, dann verliert der Löwe an Höhe, trifft auf Hindernisse oder stürzt ganz ab (Letzteres geschieht nur, wenn gar nicht mehr geputzt wird).

Gemessen wird über Bewegungssensoren nicht nur die Putzgeschwindigkeit, sondern auch, in welchen Quadranten im Gebiss sich die Bürste gerade aufhält – damit das Kind überall gleichmäßig putzt. Entwickelt wurde Playbrush in London in Zusammenarbeit mit dem UCL. Gründer Paul Varga, selbst Österreicher, will das Gerät nicht nur in England, sonder auch in Österreich auf den Markt bringen.

Zur Entwicklung von Playbrush wurde in Kindergärten und Schulen getestet, mit englischen und österreichischen Kindern. „Wichtig war den Kindern, dass es eine sich entwickelnde Geschichte gibt, mit mehreren Levels und unterschiedlichen Charakteren. Und der Konkurrenzaspekt, dass sie zum Beispiel gegen Geschwister antreten können“, sagt Varga. Um das Produkt bekannter zu machen und Geld für die erste Serienproduktion einzusammeln, hat Playbrush gerade auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter eine Kampagne gestartet. Davor wurde das Projekt durch Bootstrapping, also durch die Gründer selbst, finanziert. „Ohne ein Produkt und erste Umsätze kann man in England nur unter sehr schlechten Bedingungen eine Finanzierung aufstellen“, sagt Varga.


Schlechte Zähne der Engländer. Eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne könne dabei helfen, bei Verhandlungen mit Investoren bessere Konditionen zu verhandeln. Derzeit muss das Start-up ganz ohne Marketingbudget auskommen. „Wir klopfen eben selbst an viele Türen und versuchen das Produkt strategisch in den sozialen Medien zu positionieren“, sagt Varga. Zum Beispiel in den in England relativ populären Mom-Blogs, in denen Mütter Erfahrungen über Kindererziehung teilen – und auch Produkte bewerben. Das Thema Zahnhygiene sei außerdem in den englischen Medien nicht schwer unterzubringen. Bekannterweise hätten die Engländer ja besonders schlechte Zähne, da gebe es also Handlungsbedarf. Aber auch in Österreich hofft Varga, die Kinder, denen das Spielen am Smartphone bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist, mit diesem Produkt abzuholen und Eltern den täglichen Putzstress mit den Sprösslingen zu ersparen.


Bauen – ganz analog. Ebenfalls edukativ, aber ganz in der analogen Welt verankert sind zwei andere Start-ups, deren Zielpublikum auch Kinder sind. Bioblo und Mingo haben sich dem Bauen verschrieben. Das analoge Spielen dient sogar als Verkaufsargument. „Am Anfang habe ich zum Spaß gesagt, wir sind ein Gegenpol zur digitalen Welt. Jetzt, da schon alle Dreijährigen mit Handys spielen, ist es das Verkaufsargument, das am meisten zieht“, sagt Mingo-Gründer und Produktdesigner Hermann Trebsche. Mingo ist ein einfaches, aus sechs Teilen bestehendes Bausystem, aus dem sich 16 verschiedene Fahrzeugtypen zusammensetzen lassen – mit einem sicheren Druckknopfsystem, ganz ohne Werkzeug. „Die Kinder können sich kreativ austoben, und es schult die Koordination zwischen Hirn und Hand“, sagt Trebsche.

„Bis zur fertigen Version, die dann 2013/14 mit 150 Stück in Serie gegangen ist, hat es sicher 100 verschiedene Prototypen gegeben“, erzählt der studierte Produktdesigner, der die Produktentwicklung mit einer AWS-Förderung finanziert hat. Für den Vertrieb und die Vermarktung hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen. Er ist eine Kooperation mit einem Autohändler eingegangen, der die Bauboxen beim Kauf eines Familienautos als Zugabe gibt. Sonst beschränken sich Trebsches Vertriebskontakte auf den Großhandel. „Den Einzelhandel direkt zu beliefern wäre zu aufwendig. So halte ich die Mindestbestellmenge bei 500 Stück.“ Kindergärten würden auch zu seinen Kunden zählen.

Mingo sei kein Massenspielzeug, betont Trebsche. Mit 199 Euro ist es im oberen Preissegment angesiedelt. „Dafür bleibt es länger interessant, weil es ja viele verschiedene Möglichkeiten gibt.“ Der Name Mingo sei absichtlich geschlechtsneutral gewählt, da seiner Erfahrung nach Mädchen genau so gern damit spielen wie Buben.

Ähnliches haben auch die drei Gründer von Bioblo, Hannes Frech, Dietmar Kreil und Stefan Friedrich, bei der Entwicklung ihres ziemlich speziellen Bausteines erlebt. „Er ist absolut unisex. Er wird nur unterschiedlich verwendet. Burschen bauen eher in die Höhe, Mädchen bleiben eher am Boden und bauen zum Beispiel Zäune oder Stallungen für ihre Tiere“, erzählt Stefan Friedrich. Bei den Farben gebe es dann schon einen eindeutigen Hang zu Rosa und Orange.


Baustein in Wabenform. Mit Bioblo wollten die drei Gründer mit einer „langen Tradition von Holzbausteinen“ brechen, mit einem eigens dafür auf der Universität für Bodenkultur (Boku) entwickelten Material: „Unser Baustein besteht zu 60 Prozent aus Holz und zu 40 Prozent aus Biokunststoff, also zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Da ist kein Erdöl enthalten“, sagt Frech, der den Werkstoff entwickelt hat.

Dazu komme die innovative Wabenform: „Sie ist von der Natur kopiert, sehr stabil, materialschonend bei der Herstellung und lässt das Licht durchscheinen, wodurch sich eine ganz neue Optik ergibt“ sagt Produktdesigner Dietmar Kreil. „Bei den Bausteinen aus Echtholz habe ich es immer schade gefunden, dass es sie nicht in Farbe gibt und sie nicht cooler ausschauen“, sagt Kreil. Eine erste Testserie der Bausteine – die Box mit 202 Steinen kostet 49Euro – haben die Gründer über Weihnachten über ihren Onlineshop verkauft. Im Mai wollen sie „richtig loslegen“ und eine GmbH gründen, gerade werden Werbematerialien erstellt. Erste Verhandlungen mit Vertriebspartnern gibt es bereits.

Bei Playbrush hofft man indes noch auf den Erfolg der Kickstarter-Kampagne. Bei Redaktionsschluss waren von den angepeilten 35.000 Pfund 23.173 bereits eingesammelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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