Es ruht kein Segen auf dem "Golden Rice"

(c) EPA (Barbara Walton)
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Ernährung. Ein gentechnisch veränderter Reis, der tödliche Mangelernährung überwinden soll, aber auf Abwehr stößt, erleidet einen neuen Rückschlag: Bei einer Studie fehlte das Einverständnis der Teilnehmer.

„Wir danken allen Freiwilligen, die an dieser Studie in Hunan, China, teilgenommen haben.“ So stand es 2012 am Ende einer Publikation im American Journal of Clinical Nutrition (96, S.658). Und mit der schien ein so langer wie erbitterter Streit entschieden, der um den „Golden Rice“: Mit ihm wollten Ingo Potrykus (ETH Zürich) und Peter Beyer (Uni Freiburg) 1992 eines der ärgsten Ernährungsprobleme der Dritten Welt lösen, das des Mangels an Vitamin A bzw. seinem Vorläufer β-Carotin, es wird im Körper umgewandelt.

Aber erst muss es in den Körper hinein: β-Carotin ist in vielen Lebensmitteln enthalten – Butter, Milch, Fleisch etwa –, aber nicht in jenem, das in vielen Armenhäusern das Hauptnahrungsmittel ist: Reis. Der hat es nur in den Blättern, nicht jedoch im Endosperm, dem essbaren Teil der Körner. Dort wäre es ein Segen, befand 1984 eine Tagung der Rockefeller Foundation, die die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern unterstützt: Mangel an Vitamin A macht anfällig für Infektionskrankheiten und kann zu Erblindung führen. Laut WHO trifft es 500.000 Kinder im Jahr, die Hälfte stirbt innerhalb eines Jahres.

Die Tagung regte die Suche nach „yellow endosperm“ an – β-Carotin ist gelb –, aber 1984 war die Gentechnik noch nicht so weit. 1992 war sie es, Potrykus/Beyer nahmen die Herausforderung an. Sie bauten Gene für β-Carotin ein – eines von einem Bakterium und eines der Narzisse –, nach fünf Jahren hatten sie gelben Reis. Sie nannten ihn „Golden Rice“, meinten Farbe und Nutzen.

Mehr steckte nicht im Namen, der Reis ist keine kommerzielle Entwicklung, dient nicht dem Profit. Aber 1997 war die Stimmung für Agrar-Gentechnik nicht günstig, Greenpeace hatte sie als Thema entdeckt und ging auch den Wohltätigkeitsreis an: Er sei das Trojanische Pferd der Genindustrie, sie wolle damit Anerkennung auch für fragwürdige Produkte.

„Now it is blessed“, sagte der Papst

Inhaltlich ging es zunächst darum, dass der Reis viel zu wenig β-Carotin enthalte: Ein dreijähriges Kind müsse drei Kilo am Tag essen, das Zeug sei „Narrengold“. Potrykus/Beyer verbesserten, die neue Variante (GR2) enthielt 23 Mal so viel β-Carotin. Dann wogte es hin und her, „Time“ titelte anno 2000, der Reis könne „eine Million Kinder im Jahr retten“, Greenpeace hielt mit den üblichen Bedenken dagegen, 2008 machten sich viele Forscher in Science für den Reis stark (341, S.1320), 2013 signalisierte gar der Papst Wohlwollen: Potrykus drückte ihm ein Säckchen in die Hand und hörte beim Zurücknehmen die Worte: „Now it is blessed“.

Aber es liegt kein Segen auf dem Reis: 2012 wurde er von chinesischen und US-Forschern in China getestet, an 68 Schulkindern. Der Befund war eindeutig: Im Reis ist so viel β-Carotin, dass eine Schüssel den Tagesbedarf zu 60 Prozent deckt. Aber: In der Form hatten die Forscher es an allem fehlen lassen, außer an eingangs zitiertem dürrem Dank. Sie hatten gegen die schlichteste und unentbehrlichste Regel verstoßen, hatten kein bzw. nur eingeschränktes Einverständnis der Kinder bzw. ihrer Eltern. Greenpeace wurde alarmiert, schlug selbst Alarm – diesmal mit Recht: „Kinder als Versuchskaninchen!“ – die Aufregung in China war groß.

Sie schwappte über auf die USA: Die Tufts-University erteilte einem der Forscher zwei Jahre Forschungsverbot, und das Journal beschloss im Vorjahr, die Arbeit zurückzuziehen. Die Forscher gingen vor Gericht, sie verloren, nun ist die „Retraction“ da (29.7.). Am Inhalt der Arbeit ändert sie nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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