Medizin: Hoffnung bei den Plagen Ebola, Mers, HIV

(c) APA/EPA/AHMED JALLANZO
  • Drucken

Ein erster Impfstoff gegen Ebola ist da, einer gegen Mers im Kommen. Einer gegen HIV nicht. Aber Medikamente sollen das Virus völlig einbremsen.

Es stehe „außer Zweifel, dass die Ausrottung der furchtbaren Geißel der Menschheit das Resultat dieser Praxis“ sein müsse. Das hoffte der britische Landarzt Edward Jenner 1801, er hatte „diese Praxis“ erfunden, die der Impfung. Mit ihr bereitet man das Immunsystem auf Krankheitserreger vor, die es noch nicht kennt, Jenner verwendete Kuhpocken gegen Pocken. Im englischen Wort für Impfung – „vaccination“ – steckt der Ursprung bis heute, das Wort kommt vom lateinischen „vacca“, Kuh.

Dann dauerte es, bis die Geißel ausgerottet war, 1980 war es so weit, es war ein seltener Triumph, er konnte nur einmal wiederholt werden, in der Tiermedizin, 2011 war die Rinderpest aus der Welt. Ausgerottet werden konnte sonst nichts, eingedämmt hingegen vieles: Gerade hat sich in einem großen Test ein Impfstoff gegen eine Plage bewährt, die 2014 aus den Wäldern Westafrikas kam, Ebola. Das Virus forderte 11.280 Opfer, es konnte mit klassischen Maßnahmen – Isolation der Erkrankten, Hygiene – zurückgedrängt werden, kann aber jederzeit wiederkehren.

„Ebola, ça suffit“

Dann bleiben noch zehn Tage, zumindest für den in Kanada entwickelten Impfstoff, der mit einem Protein des Ebola-Zaire-Virus arbeitet. Es wurde in Guinea getestet – in einer Kampagne names „Ebola, ça suffit“ –, 4394 Menschen erhielten es im Rahmen einer Ringimpfung, die bekommen jene, die mit Erkrankten engen Kontakt hatten. Die eine Hälfte wurde innerhalb von zehn Tagen geimpft, die andere erst nach drei Wochen. In dieser Gruppe waren 2380 Menschen, 16 erkrankten, von den 2014 Mitgliedern der früh Geimpften erkrankte keiner (Lancet 31.7.). „Exzellent“ sei das Ergebnis, urteilte Adrian Hill (Oxford), einer der beteiligten Ärzte, allerdings weist er auch darauf hin, dass man nicht weiß, wie lange der Schutz wirkt. Und sehr praktikabel ist der Impfstoff nicht, er muss bei minus 80 Grad gelagert werden.

Aber der Anfang ist gemacht, und auf den darf man auch bei einer zweiten Seuche hoffen, die heuer höchste Beunruhigung hervorgerufen hat, vor allem in Südkorea: Dort brach die Atemwegserkrankung Mers aus, sie fordert 36 Opfer und brachte Chaos ins Land. Einen Impfstoff gibt es nicht, es ist aber einer im Werden, am National Institute of Allergy and Infectious Diseases der USA wurde ein Kandidat an Makaken getestet, sie entwickelten Antikörper gegen den Erreger (Nature Communications 29.7.).

Das ist die entscheidende Reaktion des Immunsystems: Mit Antikörpern und nur mit ihnen bringt es Erreger wieder aus dem Leib. Es gibt noch einen zweiten Ast der Abwehr, die Fresszellen, die halten Erreger kurz, schaffen sie aber nicht weg. Deshalb setzte man auch auf Antikörper, als 1981 ein neuer Schrecken aus Afrikas Wäldern gekommen war, das Virus HIV. Man war zuversichtlich, rasch einen Impfstoff zu finden, man fand bis heute keinen, das Virus ist zu trickreich. Trotzdem waren auf der Jahrestagung der International Aids Society Mitte Juli in Vancouver die Hoffnungen groß, man könne auch dieses Leiden völlig einbremsen, bis 2030, mit den antiviralen Medikamenten, die heute ein Überleben mit Aids ermöglichen: 2014 rief das UN-Programm gegen Aids ein neues Ziel aus, „90-90-90“: Bis 2020 soll so flächendeckend diagnostiziert werden, dass 90 Prozent derer, die HIV haben, das auch wissen; von den 90 Prozent sollen 90 Prozent die Medikamente erhalten, bei 90 Prozent sollen sie so gut wirken, dass sie das Virus nicht mehr übertragen.

Segensreiche Gates-Stiftung

Feldversuche waren so erfolgreich, dass einer von ihnen – Start, er lief in 34 Ländern – im Mai vorzeitig als Therapie weitergeführt wurde (Nature 523, S.127). Das Ganze ist ambitioniert und teuer, 36 Milliarden Dollar im Jahr, mit dabei ist die Stiftung von Melinda und Bill Gates, die auch sonst mit ihren Milliarden Segen stiftet: Es gibt viele böse Leiden vor allem in Afrika, um die sich keine Regierung kümmert und kein Pharmakonzern, oft springt Gates' Foundation ein.

Aber überall kann weder sie noch sonst jemand helfen: Nach der Ausrottung der Pocken nahm man sich Polio vor, es gibt Impfstoffe, aber jedes Kind auf der Erde muss sie erhalten. Das ist bis heute nicht gelungen, obgleich für Impfkampagnen sogar Bürgerkriege kurz einhielten. Hauptproblem derzeit ist Nigeria, dort hält das Schlachten nicht ein, zudem machen militante muslimische Impfgegner mobil.

Polio wird erhalten bleiben, neue Schrecken werden kommen, vorhersagen kann man einen, die Grippe: Sie hat immer andere Varianten, deshalb ist die Wahl unter den vorhandenen Impfstoffen schwierig. Und wenn eine kommt, die völlig neu ist – Hühnergrippe! Schweinegrippe! –, dann dauert das Impfstoffentwickeln. Und Hausapotheken biegen sich noch jahrelang unter abgelaufenen Chargen des Wundermittels Tamiflu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.