Unerschöpflicher „Okeanos“ im Musikverein

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Große Begeisterung für Bernd Richard Deutschs Orgelkonzert mit Wolfgang Kogert und dem RSO Wien.

Ein Konzert für Orgel und Orchester? Davon haben viele Komponisten aus gutem Grund die Finger gelassen. Zu übermächtig und zugleich im Orchestertutti klanglich bedroht sei das Soloinstrument – und als Ganzes dem Kollektiv viel zu ähnlich, als dass es auf befriedigende Weise in einen Dialog treten könnte, so lauten die Bedenken. Der 1977 in Mödling geborene Bernd Richard Deutsch wollte es dennoch wissen – und reüssierte nun im Wiener Musikverein auf geradezu verblüffende Weise, tatkräftig unterstützt von glänzenden Musikern: dem Organisten Wolfgang Kogert und dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Stefan Asbury.

„Okeanos“ nennt Deutsch sein Orgelkonzert, das im Auftrag der Gesellschaft der Musikfreunde und des RSO entstand. Satztechnisch betrachtet gelingt es ihm, im Wechselspiel von Orgel und Orchester die ganze Palette zwischen Gegenüberstellung und Verschmelzung aufzufächern: vom sanften, ruhigen Gekräusel des Beginns, bei dem die Partner einander die Klangfarben abzulauschen scheinen, bis hin zu massiven, vom Schlagzeug heftig untermauerten Tuttiballungen, von denen eine auch den markigen Schluss bildet.

Vier Sätze, vier Elemente

Musikalisch ist es wieder ein typischer Deutsch: Zum Titel passend, tummelt sich in „Okeanos“ eine fast unerschöpflich wirkende Fülle von plastischen musikalischen Charakteren, Situationen und Gebärden, die diesmal innerhalb von vier Sätzen den vier Elementen der Antike angenähert sind. Da schaukeln sich die Wogen auf, wächst sich ein luftiges Pingpong hoher Töne zwischen Orgel und Orchester zu flirrenden Gestalten aus und macht die Registrierung humorvollen Effekt, geraten wir in eine Art Tropfsteinhöhle und hören zuletzt feurig-lichtes Flackern.

Alles freilich in eine fesselnde Dramaturgie gebracht, in der Melodiepartikel und komplexe Rhythmik, virtuose Passagen, brausende Akkorde und kammermusikalisch transparente Dialoge wie bei einem gut geölten Räderwerk bei allen Überraschungen im Einzelnen doch logisch ineinandergreifen. Ein intensiver, auch zuletzt nach Schostakowitschs monumentaler elfter Symphonie noch stark bejubelter Abend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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