Pilgramgasse: Was nach den Wettcafés kommt

Neuzugang am Beginn der Pilgramgasse: Joachim Ivany mit seinem Imbisslokal Die Erbsenzählerei
Neuzugang am Beginn der Pilgramgasse: Joachim Ivany mit seinem Imbisslokal Die Erbsenzählerei(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach dem Aus der Wettlokale ist die Pilgramgasse zu einer bunten, attraktiven Straße geworden. In der „Erbsenzählerei“ gibt es Bio-Snacks, daneben viel Grün. Und viel Süßes.

Wien. Nein, eine große Einkaufsstraße mit Strahlkraft weit über die Margaretener Bezirksgrenzen hinaus ist sie noch nicht, die Pilgramgasse. Dass sie aber das Zeug dazu hätte (wenn sie denn ein bisschen länger wäre), stellt die Straße aber gerade unter Beweis.

Besonders unübersehbar ist der kleine Aufschwung der Pilgramgasse, seit die Wettcafés, die jahrelang das Bild der Straße dominiert haben, nach dem Verbot des Kleinen Glücksspiels geschlossen haben. Einige Zeit standen die Lokale leer – glücklicherweise nicht lange genug, um der Straße den unguten Touch, den Leerstand sonst mit sich bringt, zu verpassen. Jahrelang sind die Bewohner des Fünften an den verspiegelten Fronten der Wettlokale vorbeigegangen, ohne eine Ahnung, wie es dahinter wohl aussieht.

Jetzt wissen sie es: Soeben hat in einem früheren Automatenlokal eine Boutique mit dem interessanten Namen Egoist eröffnet, die sich auf Abendkleidung für Damen spezialisiert hat. Schon ein paar Wochen davor hat Andrea Mühlwisch ihren Blumenladen Flowercompany von der Margaretenstraße in die Pilgramgasse verlegt und gezeigt, was man aus einem vormals tristen Wettlokal machen kann: einen modernen Blumenladen, hohe Räume, viel Licht, viel Platz. Lange Fensterfronten, in denen sich der prächtige Margaretenhof von gegenüber spiegelt. Für den Umzug nahm Mühlwisch eine höhere Miete in Kauf, „dafür ist hier einfach mehr los“. Die Bewohner des Grätzels schätzt sie als „anspruchsvoll, mit gutem Geschmack, aber preisbewusst“ ein.

(c) Die Presse

Auf anspruchsvolle Kunden setzt auch Joachim Ivany: Er hat soeben neben dem Blumenladen seinen Imbiss Die Erbsenzählerei eröffnet, ist den fragwürdigen 1970er-Charme des alten Backhendllokals losgeworden (bis auf den Fliesenboden) und widmet sich nun dem Mittags- und Abendhunger der Bewohner und Büromenschen im Umkreis. „Ich will den Imbiss nicht neu erfinden“, sagt Ivany, „aber ich möchte gesunde Alternativen anbieten.“ Soll heißen: Alles bio, alles regional. Das Biobier kommt aus Wiener Neustadt, der Speck für seine Speckbrote (mit frischem Kren) von einem Fleischer vom Schneeberg. Apropos Fleisch: Die Erbsenzählerei hat viele vegane Speisen im Angebot. Ein Klassiker („wenn man nach zwei Wochen schon von einem Klassiker reden kann“) ist die Erbsensuppe, die ob des Lokalnamens naheliegend ist. Dazu kocht Ivany täglich Suppen, rührt Aufstriche an, bäckt Marmorkuchen nach Omas Rezept. An der Pilgramgasse schätzt er, „dass die Gegend im Kommen ist“ und die Verkehrsanbindung (vier Buslinien, U4) sehr gut sei.

Nicht zu vergessen die Nachbarn: Sie waren im Probebetrieb der Erbsenzählerei als Testesser im Einsatz, seither ist man in Kontakt. Obwohl Ivany ein Konkurrent für die anderen Lokale ist? Nein, sagt er. Er konzentriere sich auf Mittag- und Abendessen, das Budapest Bistro ein paar Häuser weiter bedient die Frühstücker. Und den besten Kaffee, darin ist sich die Straße so gut wie einig, gibt es vis–à-vis „beim Sascha“.

„Der Sascha“ ist Sascha Iamkovyi, kam eigentlich für das Jusstudium aus der Ukraine nach Wien und hat vor einem Jahr sein Lokal mit dem puristischen Namen Kaffee von Sascha aufgesperrt. Wieso hier? „Weil die Mietpreise okay, die Gegend und das Publikum gut sind“, sagt Iamkovyi. Bei Sascha kann man zwischen zwölf Kaffeezubereitungsarten wählen, die Bohnen, die er direkt von Kaffeebauern etwa aus Costa Rica bezieht (das volle Third-Wave-Programm also) auch für zu Hause kaufen.

Dazu serviert er Gorischoks, ein ukrainisches süßes Gebäck. Überhaupt ist die Pilgramgasse sehr süßspeisenlastig geworden. Wenn man Gregors Konditorei ums Eck in der Schönbrunner Straße mitzählt (Zaunerkipferl!), und das Rori's, ist es zu verschmerzen, dass der Fünfte nicht eine einzige Aida-Filiale hat. Dazwischen gibt es eine hohe Dichte an alteingesessenen Nahversorgern von Schuhmachern bis Schneidern, auf die man hier trotz der Neuzugänge nicht verzichten möchte.

Mit der Erbsenzählerei und Co. ist jedenfalls die Aufwertung der Margaretenstraße, die vom Vierten (von der Operngasse kommend) ihren Lauf Richtung stadtauswärts genommen hat, nun auch im Herzen von Margareten angekommen und ist sozusagen beim Margaretenplatz rechts in die Pilgramgasse abgebogen.

Dem Problemkind im Bezirk, der Reinprechtsdorfer Straße mit ihren leer stehenden Ex-Wettcafés, wäre zu wünschen, dass die coolen neuen Läden noch ein Stückchen weiter stadtauswärts wandern.

BEST OF PILGRAMGASSE

Die Erbsenzählerei, Pilgramgasse 2, serviert Bio-Brötchen, Suppen, Snacks, wochentags von 11 bis 19 Uhr. www.die-erbsenzaehlerei.at

Flowercompany, Pilgramgasse 4, gehobener Florist im Ex-Automatenlokal. www.flowercompany.at

Kaffee von Sascha, Pilgramgasse 3, Third-Wave-Café mit T-Shirt-Shop. www.kaffeevonsascha.at

Rori's Finest Sweets, Pilgramgasse 11, hübsches Café mit vielen, vielen Süßspeisen. www.facebook.com/rorisfinestsweets/

Bottelini Kuriositäten, Pilgramgasse 16,originelle Geschenke, viel Zuckerlware, www.bottelini.com

La Vita è Bella, Pilgramgasse 14, schöne, dunkle Bar und Enotheka. www.lavitaebella.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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