Das mit der Abschiedskultur wird eher schwierig werden . . .

FLUeCHTLINGE: FLUeCHTLINGSSITUATION IN SPIELFELD
FLUeCHTLINGE: FLUeCHTLINGSSITUATION IN SPIELFELDAPA/ERWIN SCHERIAU
  • Drucken

Die Regierung versucht nicht, der Migrationskrise endlich ernsthaft zu begegnen, sondern sie will dem Volk nur Beruhigungsmittel einflößen.

Da in der zeitgenössischen politischen Unterhaltungsindustrie bekanntlich nicht das Erreichte zählt, sondern bereits das Erzählte reicht, erzählt uns die Regierung nun, dass künftig Schutzsuchende, die keinen Schutz kriegen, abgeschoben werden. 50.000 sollen es bis zum Jahr 2019 sein. Ganz Ähnliches hat auch die deutsche Bundesregierung angekündigt.

Jetzt ersparen wir uns einmal den beckmesserischen Hinweis darauf, dass man uns ja noch vor ein paar Monaten ernsthaft erklärt hat, all diese Menschen wären die dringend benötigten Arbeitskräfte der Zukunft – Ingenieure und Internisten zum Großteil, ohne die unser Pensionssystem nicht aufrechtzuerhalten sei. Und von denen sollen nun gleich 50.000 abgeschoben werden? Gefährdet die Regierung, ihrer eigenen Logik folgend, damit nicht fahrlässig die künftigen Renten im Land? Geschenkt.

Erörternswert hingegen erscheint eine andere kleine Frage: Wie realistisch ist es eigentlich, dass Deutschland und Österreich Hunderttausende jener Migranten, die nicht zuletzt dank der Einladungspolitik der Berliner und Wiener Regierung gekommen sind, nun wieder in ihre Herkunftsländer zurückverbringen?

Anzunehmen ist: Sie schaffen das eher nicht! Wir haben es mehr mit Symbolpolitik zu tun, die den aufgebrachten Bürger sedieren soll, nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden Wahlgänge in drei deutschen Bundesländern und der hiesigen Bundespräsidentenwahl.

Wohl auch deshalb hat die SPÖ nun sogar ein Transportflugzeug des Bundesheers zur „Air Abschub“ erklärt, was ein kräftiges Signal auf der Symbolebene ist: Jetzt wird sogar martialisches Gerät eingesetzt, um der Völkerwanderung Herr zu werden. Vermutlich werden die Hercules-Maschinen mit den Abzuschiebenden an Bord künftig noch ein paar Runden im Tiefflug über den Wiener Gemeindebauten drehen, damit die Botschaft auch bei schlichteren Gemütern ankommt.

Daran, dass im deutschen Sprachraum Hunderttausende mehr oder weniger Illegale so nicht zum Verschwinden zu bringen sein werden, ändern solche Propagandastunts freilich nicht allzu viel. Schon allein deshalb, weil mittlerweile eine erhebliche Anzahl von Migranten einfach untergetaucht und daher für die Behörden nicht greifbar ist. Bis zu 30 Prozent der Migranten seien in Ostdeutschland wenige Tage nach ihrer Ankunft „einfach verschwunden“, berichteten deutsche Medien jüngst.

Von jenen hingegen, die es vorziehen, nicht unterzutauchen, haben sich zahllose vor der illegalen Einreise ihrer Pässe und anderer Herkunftsnachweise entledigt, was dazu führt, dass es vorerst natürlich auch kein Herkunftsland geben kann, in das der Migrant zurückgeschickt werden kann. Bis die Behörden rekonstruieren können, woher diese Menschen tatsächlich stammen, dürften Jahre vergehen, wenn sich das überhaupt noch klären lässt.

All diese kleinen Probleme werden leider auch dadurch nicht zum Verschwinden zu bringen sein, dass die Verteidigungsministerin nun ihre Transall in die Schlacht wirft.

Natürlich ist wahrscheinlich, dass in Deutschland wie in Österreich angesichts des hochkochenden Volkszorns die Zahl der durchgeführten Abschiebungen in den nächsten Jahren tatsächlich signifikant steigen wird. Dass damit aber ein erheblicher Teil der vom Willkommenskarneval ausgelösten Probleme gelöst würden, ist so realistisch wie die Hoffnung, die Schutzsuchenden würden unsere Pensionen sichern.

Wir haben es vielmehr erneut mit einer „Politik der Gefühle“ zu tun, die lieber Stimmungen der Wählerschaft bedient, anstatt Fakten zu schaffen. Dieser illusionistischen Methode war im Herbst die Ankündigung geschuldet, 160.000 Migranten über die EU zu verteilen, von denen heute noch 159.500 ihrer Umverteilung harren. Diesem illusionistischen Politvarieté verdanken wir auch die von der Regierung verkündigte Begrenzung der Migrantenzahlen. Da eben nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.