Sankt Quereinsteiger

Symbolbild Pressekonferenz
Symbolbild Pressekonferenz(c) Clemens Fabry
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Da ich momentan in Brüssel stationiert bin, habe ich den großen Luxus, die politische Debatte in Österreich aus sicherer Entfernung mitverfolgen zu dürfen.

Was mir aus dieser Distanz auffällt, ist die Adoration des Amateurs. Es ist ein Phänomen, das früher unter britischen Gentlemen verbreitet war (Ich, ein Profi? Gott behüte!), nun aber Konsens zu sein scheint – und zwar nicht nur in Österreich. Allerdings ist dieser Konsens auf einige wenige Branchen beschränkt. So würde beispielsweise niemand einen Chirurgen, der nicht Medizin studiert hat, für seinen unverkrampften Umgang mit den Routinen im Operationssaal loben. Oder sein Leben einem Piloten anvertrauen, der nicht fliegen gelernt hat, nur weil er sich traut, unbequeme Wahrheiten über den internationalen Flugbetrieb offen auszusprechen.

Bei Politikern ist das gang und gäbe. Möglicherweise hängt das mit der Einschätzung zusammen, Politik könne eh jeder – man brauche nur an Stammtischen sitzen und drei gerade Sätze ins Mikrofon sprechen können, dann sei man mit von der Partie. Die Tatsache, dass am politischen Firmament schon viele Sternschnuppen verglüht sind und das wiederholte Scheitern von Quereinsteigern irgendwelche Gründe haben muss, scheint dieser Überzeugung keinen Abbruch zu tun.

Ein weiterer Beruf, den ich aus familiären Gründen besser kenne und der ähnlich beurteilt wird, ist die Fotografie. Er erschöpft sich nach landläufiger Meinung darin, durch ein Loch in der Kamera zu schauen und auf einen Knopf zu drücken. Die Folgen manifestieren sich einerseits bei den Honoraren und andererseits in einem, sagen wir, sportlichen Umgang mit dem Werk selbst. Unlängst las ich von einem Fotografen, dessen Bilder von einem Wiener Hotel unerlaubterweise über Jahre weitergegeben und weltweit tausendfach publiziert wurden. Als der Betroffene seinen ehemaligen Auftraggeber damit konfrontierte, bot dieser ihm eine Entschädigung von 700 Euro an. Woraufhin der Mann Klage einreichte.

Das letzte Vergleichsangebot seitens des Hotels lautet 400.000 Euro. Nach Ansicht des Anwalts ist da aber noch viel Luft nach oben.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)

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