Aspekte-Festival: „Neugier und offene Ohren“

Leiter Ludwig Nussbichler feiert das 40-Jahr-Jubiläum des Aspekte-Festivals.
Leiter Ludwig Nussbichler feiert das 40-Jahr-Jubiläum des Aspekte-Festivals.(c) Aspekte
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Neue Musik gehört in die Hände von jungen Menschen. Deshalb lässt Ludwig Nussbichler beim Aspekte-Festival in Salzburg die Jugend mitmischen.

Für Ludwig Nussbichler war 1991 die Begegnung mit dem Komponisten John Cage so etwas wie ein musikalisches Erweckungserlebnis. Bei den Aspekten, dem mit 40 Jahren mittlerweile ältesten Festival für Neue Musik in Österreich, hörte Nussbichler die „Etudes Australes“ von Cage. Solche Töne und Schwingungen hatte der junge Musiklehrer, der gerade mit dem Kompositionsstudium begonnen hatte, bis damals nie gehört.

John Cage war 1991 Composer in Residence bei den Aspekten in Salzburg. Er saß wenige Meter von Nussbichler entfernt im Konzertsaal und verfolgte die dreistündige Aufführung durch die Pianistin Grete Sultan völlig versunken. Dass einige im Publikum türenknallend den Saal verließen, schien der Komponist nicht zu bemerken. Auch Nussbichler schwankte damals zwischen Ablehnung und Begeisterung – am Schluss ließ die Intensität der Musik den gebürtigen Oberösterreicher staunend zurück. Seither hat die Neue Musik einen besonderen Stellenwert im Leben des 53-Jährigen. „Neugier und offene Ohren“, rät er allen, die Lust auf Neuentdeckungen haben. Dass Türen knallen, ist selbst bei Uraufführungen selten geworden – ganz im Gegenteil, die Neue Musik hat ein großes Publikum gefunden.

„Nicht nur für Intellektuelle“

Seit zehn Jahren leitet Nussbichler die Aspekte, davor hat er das Gründungsteam rund um den Dirigenten und Komponisten Klaus Ager begleitet. Im Hauptberuf ist der 53-Jährige, der in Salzburg Französisch, Musikpädagogik, Gitarre und Komposition studiert hat, Leiter des Musikums in der Stadt Salzburg.

Im Jahr 1976 stieß das Festival in Österreich in noch weitgehend unbekanntes Terrain vor. Die Festivalgründer wollten neue, spannende Hörerlebnisse nach Salzburg bringen. „Uns ging es nie um das Einkaufen großer Namen, sondern um eine längerfristige Beziehung zu den Komponisten, Ensembles und Orchestern“, erzählt Nussbichler. Nicht nur John Cage war in Salzburg, auch die Komponisten Mauricio Kagel, Iannis Xenakis, Alexander Knaifel, Giya Kancheli oder Sofia Gubaidulina. In der Szene haben die Aspekte einen guten Namen, auch wenn es längst größere und bekanntere Festivals gibt. Heuer ist der Franzose Tristan Murail Composer in Residence. Er ist Vertreter der Spektralmusik, die in den 1970er-Jahren in Paris im Umfeld des Ensembles L'Itinéraire entstanden ist. Salzburg, Paris, New York – diese Achse prägt das Festival seit Jahrzehnten. Heute ist die neue Musik längst etabliert, die Hemmschwellen bleiben aber. „Viele haben Angst, dass es nur eine Musik für Intellektuelle ist“, sagt Nussbichler.

„Das stimmt aber nicht.“ Deshalb ist ihm die Musikvermittlung so wichtig. 2008 wurde eine eigene Festival-Schiene für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Beim Wettbewerb „Prima la Musica Salzburg“ gibt es einen Aspekte-Sonderpreis, die Preisverleihung von „Jugend komponiert“ findet im Rahmen der Aspekte statt. Die Nachwuchsmusiker und -komponisten präsentieren sich in der Konzertreihe „Spielräume“ im Rahmen des normalen Festivalprogramms. „Das hat einen enormen Stellenwert für die jungen Menschen“, betont Nussbichler. Die Erfahrungen im Konzertbetrieb sind wichtig. Er hat das selbst so erlebt: Als er Komposition am Mozarteum studierte, wurden einige seiner Stücke bei den Aspekten neben Werken von Anton Webern und Isang Yun aufgeführt. „Das war ein besonderes Erlebnis für mich.“

Die Neue Musik gehöre den Jungen, „da liegt die Zukunft“, ist Nussbichler überzeugt. Deshalb hat er heuer drei jungen Pianistinnen – Hsin-Huei Huang, Ariane Haering und Ardita Statovci – für das Projekt „Au Poisson rouge“ weitgehend freie Hand bei der Programmierung gegeben. „Es sind drei Abende mit einem spannenden Programm herausgekommen“, freut sich Nussbichler. Nach dem Festival zieht es den Salzburger nach Zypern. Den Sommer verbringt er mit der Familie in der Heimat seiner Frau. Dort findet er die Ruhe, die er zum Komponieren braucht – im Alltag als Musikschuldirektor und Festivalleiter bleibt zumindest für diese Passion zu wenig Zeit.

Auf einen Blick

Die Aspekte wurden 1976 als Festival für Neue Musik gegründet und finden jedes zweite Jahr im Frühjahr in Salzburg statt. Zum 40-Jahr-Jubiläum werden von 1. bis 4. Juni u. a. im Republic und in den Kavernen 22 Komponisten gespielt, neun Uraufführungen stehen auf dem Programm. Der französische Komponist Tristan Murail ist Composer in Residence. Geleitet wird das Festival seit zehn Jahren von Ludwig Nussbichler. www.aspekte-salzburg.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)

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