Klagen: Wenn viele gegen einen sind

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Seit der Finanzkrise fordern in Österreich immer mehr Anleger ihre vermeintlichen Verluste zurück. Nicht immer übernimmt die Rechtsschutzversicherung dafür die Kosten.

Wien. Noch vor der Finanzkrise war sie kaum ein Thema, doch in den vergangenen Jahren scheint sie – bedingt durch zahlreiche „Affären“ – in Mode gekommen zu sein: die Sammelklage österreichischer Prägung.

Sie geht auf einen Entscheid des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2005 zurück. Demnach ist eine solche Klage zulässig, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: Die Ansprüche aller Betroffenen beruhen auf dem gleichen Anspruchsgrund oder auf der gleichen maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage, wie Jurist Nikolaus Pitkowitz von der Kanzlei Graf & Pitkowitz erklärt.

Bei Sammelklagen geht es aber nicht immer nur um Anlegerverluste: Erst am gestrigen Mittwoch gab der Verein für Konsumenteninformation (VKI) bekannt, die Möglichkeit einer Sammelintervention oder Sammelklage zu prüfen. Es geht um minderwertige Brustimplantate, die mutmaßlich Betroffenen eingesetzt worden sind.

Bei einer Sammelklagen tritt der Einzelne seine Ansprüche an einen Vertreter ab, der dann als Kläger fungiert. Können die Ansprüche nicht gebündelt werden, was sich oft erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, ist nicht nur die Klage unzulässig, sondern auch die Gefahr der Verjährung gegeben, sagt Pitkowitz.

Der VKI prüft in der Regel, ob ein Betroffener in das Konzept der angestrengten Klage passt. Ist das nicht der Fall, hat man schlichtweg Pech gehabt. „Bei den ganzen Anlegergeschichten mussten wir fokussieren“, sagt Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung.

Doch juristische Schritte können Unsummen verschlingen. Bei Sammelklagen gibt es daher mehrere „Kostenmodelle“, wie Jurist Arno Likar erklärt. Likar hat unter anderem einige Sammelklagen im Zusammenhang mit der Finanzgruppe AvW eingebracht.

Prozessfinanzierer tragen Risiko

Entweder sind Anwaltskosten durch die Rechtsschutzversicherung gedeckt. Das bedeutet, dass die Versicherung das Kostenrisiko übernimmt. Bei neuen Verträgen werden Rechtsstreitigkeiten, die Wertpapiergeschäfte betreffen, aber gern ausgeklammert. Verfügt ein potenziell Geschädigter über keine entsprechende Deckung seiner Versicherung, stellt Likar beispielsweise für eine bestimmte Anzahl von potenziell Betroffenen ein Angebot zusammen, bei dem das Worst-Case-Szenario (Prozess wird verloren) ausgerechnet wird. Ab einem bestimmten Betrag könne man sich der Klage anschließen. Geht diese zugunsten der Kläger aus, „bekommt jeder seine Gebühren und den erstrittenen Betrag zurück“, sagt Likar.

Beim VKI sind Sammelklagen indes so angelegt, dass jene angesprochen werden sollen, „die sich einen Prozess nicht leisten können oder wollen“, sagt Kolba. Das bedeutet: Das Konsumentenschutzministerium oder auch die Arbeiterkammer kann die Ausfallhaftung für Prozesskosten im Fall von Musterprozessen oder kleinen Sammelklagen übernehmen.

Manchmal schalten sich auch sogenannte Prozessfinanzierer ein. Dies machen sie in der Regel dann, wenn sie größere Aussicht auf Erfolg sehen. Wird ein Prozess gewonnen, müssen die Geschädigten einen Teil der erstrittenen Summe an den Prozessfinanzierer abführen, häufig sind das rund 30 Prozent.

Zu guter Letzt besteht auch die Möglichkeit, als Einzelkläger vor Gericht zu ziehen. Das kann aber teuer werden. Gibt das Gericht der gegnerischen Partei recht, muss der Verlierer nicht nur eigene Anwaltskosten, sondern auch die der Streitpartei übernehmen.

Kolba weist darauf hin, dass eine Sammelklage nichts für jemanden sei, der „individuell betreut werden will“. Es sei eher ein Angebot an jene, die ihre Ansprüche „sonst gar nicht weiterverfolgen“ würden.

Was Sie beachten sollten bei... Sammelklagen

Tipp 1

Versicherung. Wer bereits eine Rechtsschutzversicherung hat, kann – etwa bei Wertpapierschäden – auf eine Deckung aus seinem Vertrag hoffen. Wer einen neuen Vertrag unterschreibt, kann bei Massenschäden aber durch die Finger schauen. Viele Versicherungen haben entsprechende Klauseln aus ihren Neuverträgen gestrichen.

Tipp 2

Klage. Grundsätzlich sollte man als Einzelperson ohne Rechtsschutzdeckung genau überlegen, ob sich eine Klage lohnt. Bei geringen Summen können Gerichts- und Sachverständigenkosten den Streitwert schnell übersteigen. Werden Streitwerte zu einer Sammelklage gebündelt, kann dies kostendämpfend wirken.

Tipp 3

Finanzierer. Wer das „Glück“ hat, an einer prozessfinanzierten Sammelklage teilzunehmen, muss sich keine Gedanken über eine Niederlage machen. Wird ein Prozess jedoch gewonnen, muss der Geschädigte an den Prozessfinanzierer eine entsprechende Quote abführen. Sie beträgt in der Regel rund 30 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2012)

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