Darlehen: Prekäre Lage für Franken-Kreditnehmer

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Über die Strategie der Schweizer Nationalbank grassieren zwei extreme Szenarien. Das eine wäre eine Katastrophe für die Franken-Kreditnehmer. Beim anderen kämen sie ohne Schaden aus dem Darlehen heraus.

Wien/Ker. Die ruhigen Zeiten könnten für die zahlreichen heimischen Franken-Kreditnehmer bald wieder vorbei sein. Derzeit haben sie eine feste Stütze, nämlich die Schweizer Nationalbank (SNB). Die verhindert, dass der Euro zum Schweizer Franken weiter an Wert verliert. Genauer gesagt, dass der Euro unter 1,2 Franken abfällt. Diese Kursuntergrenze hat die SNB im September eingezogen. Um den Euro zu stützen, druckt die Notenbank gegebenenfalls Franken, um damit Euro aufkaufen zu können.

Das war bisher ein leichter Balsam für die Inhaber von Franken-Darlehen. Sie wissen dadurch, dass der Euro nicht weiter als 1,2 Franken abstürzt. Daher kann auch die Kreditschuld dieser Darlehen nicht weiter zunehmen. Zumindest nicht aufgrund der folgenden Währungsverluste. Aber: Die Aktion hat auch einen Haken. Sie kann gefährlich sein für die Schweizer Nationalbank.

Gefährliches Franken-Drucken

Um diese Grenze aufrechtzuerhalten, musste die SNB binnen kurzer Zeit viele Franken drucken und dadurch die Geldmenge in kurzer Zeit verfünffachen. Wenn dieses Geld in die Wirtschaft kommt, drohen hohe Inflationsraten und hohe Zinsen. Noch schlimmer: Die SNB hat nun hohe Eurobestände in ihren Büchern. Wenn der Euro zusammenbricht, könnte das immense Verluste nach sich ziehen.

Und damit sei auch nicht gesichert, dass die SNB den Euro „ewig“ stützen kann, auch wenn sie das noch immer betont. Auf diese Gefahr wies nun ein unabhängiger Finanzberater, der mehr als 200 Kreditnehmer betreut, gegenüber der „Presse“ hin. Eines sollte den Kreditnehmern damit klar sein: Wenn die SNB unter dem Druck die Eurostützung aufgeben muss, könnte der Wert des Euro in Franken noch einmal stark abnehmen. Das ist das eine Szenario, das Schreckensszenario.

Das andere Szenario ist völlig konträr und könnte die Franken-Kreditnehmer aufatmen lassen. Der deutsche Wirtschaftsweise und einflussreiche Ökonom Peter Bofinger rät nämlich eindringlich der SNB, die Euro-Untergrenze auf mindestens 1,35 Franken zu erhöhen. Die Finanzmärkte würden das akzeptieren, begründet Bofinger. Was bedeuten nun diese zwei Szenarien für die Franken-Kredite? Und wie könnte man den Schaden begrenzen?

Das Schreckensszenario: Der Euro stürzt auf 0,8 Franken ab. Laut Ökonomen, Analysten und Finanzberatern ist ein solcher Eurokurs zwar undenkbar. Das würde die Schweizer Wirtschaft nicht vertragen, sagen sie. Außerdem liege der „faire Wert“ des Euro irgendwo bei 1,3 bis 1,4 Franken, heißt es weiter.

Das mag zwar alles stimmig klingen. Seit vier Jahren ist aber auch offensichtlich, dass sich die Finanzmärkte nicht um fundamentale Daten oder „faire Werte“ scheren. Vor allem nicht in Krisenzeiten.

Ein Eurokredit, der Anfang 2000 im Franken (zu einem Kurs von 1,6) aufgenommen wurde, hat bei einem Eurokurs von 0,8 Franken keine Kreditschuld mehr von 100.000 Euro, sondern eine von rund 200.000 Euro. Die Schulden haben sich verdoppelt. Zwar haben sich die Franken-Kreditnehmer in der Zwischenzeit fast 17.000 Euro an Zinsen erspart (da die Zinsen in der Schweiz deutlich niedriger sind als im Euroraum). Trotzdem klafft ein „Verlustloch“ von 83.000 Euro.

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Limits einziehen

Jene Kreditnehmer, die ein solches Szenario fürchten, können den Schaden allenfalls begrenzen. Etwa, indem sie sogenannte Limit-Orders einziehen. Eine solche Order könnte unter der besagten Kursgrenze von 1,2 Franken liegen. Eine Annahme: Die Limit-Order liegt bei 1,19 Franken. Die SNB kündigt in nächster Zeit die Stützung des Euro auf, der Euro rasselt daraufhin hinunter. Dann wird der Kredit automatisch zu einem Kurs von 1,19 in einen Eurokredit umgewandelt. Die Kreditnehmer haben dann einen Kursverlust von 34.500 Euro gemacht. Dem steht ein „Zinsgewinn“ von rund 17.000 Euro gegenüber. Sie sind mit einem Minus von mehr als 17.000 Euro ausgestiegen. Das ist auch nicht angenehm, aber immer noch besser, als wenn der Euro langfristig bei unter einem Franken verharrt und ein Kursverlust von 100.000 Euro entsteht.
Nun das konträre Szenario: Dabei handelt es sich um jenes des deutschen Wirtschaftsweisen Peter Bofinger. Wie gesagt, rät er der SNB, eine Eurokursgrenze von mindestens 1,35 Franken bekannt zu geben. Oder sogar von 1,4 Franken. Die Finanzmärkte würden das akzeptieren. Es sei dringend geboten, hier noch den nächsten Schritt zu gehen, so Bofinger in einem Interview mit „Cash“. Es wäre wirklich schade für den Schweizer Tourismus, wenn eine derart traditionsreiche Hotellerie in die Knie gehen müsste, nur weil man währungspolitisch zu ängstlich war, sagte Bofinger weiter.

Schaden begrenzen

Das sind doch klare Worte. Sollte die Schweizer Nationalbank wirklich eine Kursgrenze von 1,35 Euro durchsetzen können, wäre das eine Erleichterung für die Franken-Kreditnehmer. Der besagte 100.000-Euro-Kredit, der im Jahr 2000 im Schweizer Franken aufgenommen wurde, würde dann eine Kreditschuld von rund 119.000 Euro aufweisen. Der Kursverlust macht dann fast 19.000 Euro aus. Wenn man die Zinsersparnis gegenrechnet, steigen die Kreditnehmer mit einem Verlust von 2000 Euro aus. Soll heißen, wenn sie den Kredit zu einem Kurs von 1,35 Franken je Euro umwandeln, würden sie fast ohne Schaden aussteigen.

Wenn die SNB sogar, wie von Bofinger empfohlen, einen Kurs von 1,4 Franken je Euro durchsetzt, steigen die Franken-Kreditnehmer sogar mit einem Plus von fast 3000 Euro aus. Von solchen Wechselkursen ist die Realität aber noch weit entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2012)

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