Das Risiko der Briefmarkensammler

Symbolbild
Symbolbild(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
  • Drucken

Wertgegenstand Briefmarke. Nicht ganz grundlos sind Briefmarken eher Liebhabersache als Anlageobjekt. Händler zahlen oft viel weniger, als die Marken in den Katalogen wert sind.

Auch die beschauliche Welt der Briefmarkensammler unterliegt Moden und Trends. Es besteht sogar die Gefahr, einer Blase zum Opfer zu fallen: Momentan sind die Philatelisten verrückt nach den seltenen Kulturrevolutions-Briefmarken der Volksrepublik China aus den 1960er- und 1970er-Jahren. „Das ist eine explosionsartige Entwicklung, die durch massive Rückkäufe von finanzkräftigen Chinesen ausgelöst wurde“, erklärt Briefmarkenexperte Gerhard Babor vom Wiener Dorotheum. Babor rät Sammlern entschieden davon ab, auf diesen Zug aufzuspringen. Die Preisentwicklung sei so absurd, dass man eher früher als später von einem Platzen der Blase ausgehen könne. Auch von italienischen Briefmarken solle man die Finger lassen, da Investoren immer wieder große Kontingente aufkaufen und diese dann als Anlageoption auf den Markt bringen. Auch in England passiere das hin und wieder. Solche Großkäufe bzw. -verkäufe machen den Wert der Briefmarken unberechenbar.

Finger weg von Raritäten

Wer mit Briefmarken als Anlageobjekt liebäugelt, muss schon ziemlich genau wissen, was er tut. „Wer kein Experte ist, sollte von besonders teuren, seltenen oder alten Exemplaren die Finger lassen“, rät Babor. Auf der sicheren Seite sei man im mittleren Investitionsbereich mit Handelspreisen zwischen 500 und 2000 Euro. Pro Marke, versteht sich.

Babor empfiehlt, nur in Gebiete zu investieren, die traditionell von einer breiten Sammlerschicht getragen werden. Zum Beispiel in die klassischen Ausgaben Österreichs (zum Beispiel Alt-Österreich oder Erste Republik). Eine sichere Sache seien auch die französischen oder englischen Kolonialländer-Ausgaben.

Der Wertzuwachs von Briefmarken ist generell schwer kalkulierbar. „Am besten, man stellt seine Sammlung möglichst breit auf und versteift sich nicht auf ein exotisches Randthema“, sagt Babor. Wer sich für österreichische Marken interessiert, dem empfiehlt der Dorotheum-Experte den Zeitraum 1900 bis 1950. „Seit den Sechzigerjahren sind die Auflagenzahlen stark gestiegen und der Wert dementsprechend gesunken.“ Ältere Marken seien für den unerfahrenen Sammler wiederum schwer zu bewerten, da viel vom Zustand der Briefmarke abhänge.

Wer eine vorhandene Sammlung zu Geld machen will, etwa nach einer Erbschaft, sollte gewappnet sein. Die Handelspreise, so Alexander Zidek vom Geschäft „Sammeln und Seltenes“, liegen meist weit unter den Katalogpreisen. In Österreich ist der jährlich erscheinende „ANK“ („Austria Netto Katalog“) das Referenzwerk für den Wert von Briefmarken, in Deutschland der „Michel“. Bei „normaler Ware“, also keinen exquisiten und ausgefallenen Exemplaren, zahle ein Händler 15 bis 30Prozent des Katalogpreises. Bei den „guten Stücken“ kann man 30 bis 50Prozent erzielen.

Wertmindernde Zahnschäden

Der Wert einer Briefmarke hängt außerdem noch von deren Zustand ab: Extrem wertmindernd sind etwa fehlende Zähnchen. Auch Risse, Fenster (dünne Stellen auf der Marke), Stockflecken (Feuchtigkeitsschäden), ein nicht bestimmbarer Stempel oder ein „Gefälligkeitsstempel“, also ein Stempel, der von offizieller Stelle zur Massenentwertung angebracht wurde, drücken den Wert. Generell sind gestempelte Briefmarken weniger wert als gefälzte. Druckfrische, unbeschädigte Marken sind am wertvollsten. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Denn manche Irregularitäten bei der Produktion können sich positiv auf den Preis auswirken: zum Beisiel Plattenfehler, kopfstehende, fehlende und doppelte Aufdrucke oder besondere Wasserzeichen.

Wertsteigernd sind auch spezielle, seltene Farbvarianten: Die wertvollste österreichische Marke, die Merkur, gibt es in Rosa, Gelb-rosa, Zinnober und Blau. Die wertvollste, zinnoberrote Merkur, hat einen Katalogpreis von 62.000 Euro. Auch hier beträgt der Handelspreis nach mindestens 50Prozent Abschlag „nur“ 31.000 Euro.

Keine Euro für Schilling-Marken

Auch Marken in größeren Einheiten wie Viererblöcken oder ganzen Bögen sind wertvoller als einzelne Exemplare. (Besondere Gustostücke sind der Wipa-Block und der Renner-Block). Größere Einheiten sollten also nie in kleinere zerlegt werden. Wer eine Sammlung verkaufen will, sollte sich vorher von einem unabhängigen Experten beraten lassen. Bei einem Auktionshaus hat man gute Karten, wenn es sich um postfrische Briefmarken handelt und die Sammlung zu einem bestimmten Thema komplett ist. Das Dorotheum bietet als Service eine kostenlose Begutachtung und Schätzung an. Wer für alte Schilling-Briefmarken ohne Sammlerwert den Gegenwert in Euro haben möchte, hat übrigens Pech gehabt. Das ist schon seit 2002 nicht mehr möglich. [iStockphoto]

Was Sie beachten sollten bei... Briefmarken

Tipp1

Wertbestimmung. Der „ANK“ („Austria Netto Katalog“) gilt als Gradmesser für den Wert von österreichischen Briefmarken. Das deutsche Äquivalent ist der „Michel“. Der Katalogwert entspricht jedoch so gut wie nie dem Handelswert. Bei Durchschnittsware bekommt man 15 bis 30Prozent des Katalogwertes, bei guten Stücken 30 bis 50Prozent.

Tipp2

Verkauf. Bevor man seine Sammlung zum Händler oder Auktionshaus trägt, sollte man den Wert von mindestens einem unabhängigen Experten schätzen lassen. Generell lassen sich druckfrische Marken und komplette Sammlungen zu einem bestimmten Thema leichter verkaufen. Querbeet-Sammlungen sind nicht so gerne gesehen.

Tipp3

Anlegen einer Sammlung. Philatelie-Experte wird man nicht über Nacht. Ein Neueinsteiger sollte von teuren Raritäten erst einmal die Finger lassen und sich seine Sporen mit Themenbereichen verdienen, die von einer breiten Sammlerschicht getragen werden. Für österreichische Marken ist der Zeitraum 1900 bis 1950 eine lohnende Investition.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.