In Deutschland sind 20 Mrd. Euro in offenen Immobilienfonds eingefroren. In Österreich können alle Anleger wieder an ihr Geld. Die Krise hatte schwere Konstruktionsfehler der Immobilienfonds offenbart.
Wien. Offene Immobilienfonds kommen derzeit nicht aus den Negativschlagzeilen. Solche Fonds investieren die Anlegergelder direkt in Immobilien und erzielen ihre Erträge mit Vermietung und Verkauf. „Offen“ heißen sie deswegen, weil man jederzeit aussteigen kann. Zumindest in der Theorie. In Deutschland sind derzeit 20 Mrd. Euro in offenen Immobilienfonds eingefroren– das bedeutet, dass die Anleger vorerst nicht an ihr Geld kommen. Betroffen ist fast ein Viertel des Gesamtvermögens, das in deutschen offenen Immobilienfonds liegt (85 Mrd. Euro).
Vor einer Woche hat die Deutsche-Bank-Tochter DWS verlautbart, dass sie ihren Fonds db ImmoFlex einfrieren muss. Wie lange, das ist noch offen. Erfahrungen mit anderen Fonds zeigen, dass es Monate bis Jahre sein können. Ursache für die Schließung: Der Fonds hat nur sieben Prozent Barbestände (der Rest des Vermögens ist investiert), und diese reichen nicht aus, um alle Rückgabewünsche zu befriedigen.
Zu wenige Barmittel
Wenige Tage zuvor erfuhren die Anleger des eingefrorenen CS Euroreal (ein deutscher offener Immobilienfonds der Credit Suisse), dass sie weitere zwölf Monate nicht an ihr Geld kommen. Der Fonds müsse erst Immobilien verkaufen, um die Liquidität von derzeit 16,8 auf 25 bis 30 Prozent zu erhöhen, hieß es.
In Österreich– die sechs heimischen offenen Immobilienfonds verwalten ein vergleichsweise kleines Vermögen von 2,5 Mrd. Euro– sind alle Fonds wieder offen. Während der Krise mussten auch hierzulande zwei Fonds schließen (der Real Invest Europe und der Constantia-Fonds).
Die Krise hatte einen schweren Konstruktionsfehler der Immobilienfonds offenbart, die lange Zeit als sehr sicheres, stabiles Investment galten, das noch dazu mehr als die Inflation abwerfen sollte: Die Anleger sollen jederzeit aus- und einsteigen können. Um ausstiegswillige Anleger abfinden zu können, braucht man jedoch ausreichend Barmittel. Reichen diese nicht aus, muss man Immobilien verkaufen.
Doch Immobilien lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen kaufen und verkaufen: Wollen zu viele Anleger gleichzeitig raus, muss man den Fonds schließen, um die Häuser nicht vorschnell zu einem ungünstigen Preis auf den Markt werfen zu müssen und die anderen Anleger zu schädigen.
Zudem hatten institutionelle Investoren (Banken, Versicherungen) die offenen Immobilienfonds als ertragreiche Alternative zum Tagesgeld entdeckt: Da sie als Großkunden kaum Ausgabeaufschläge zahlen, rechnet es sich für sie, Geld nur wenige Monate in offenen Immofonds zu veranlagen und dann wieder abzuziehen. Das stellt für Kleinanleger ein erhebliches Risiko dar. In Deutschland soll nun ein Gesetz Mindestbehaltefristen von zwei Jahren und Kündigungsfristen von einem Jahr vorschreiben.
Relativ stabil, aber langfristig
Außerhalb dieser Fristen soll man nur noch 30.000 Euro pro Halbjahr abheben dürfen. In Österreich soll es nicht so streng kommen: Hierzulande sollen die Fondsgesellschaften die Möglichkeit erhalten, Institutionellen eigene Regeln vorzuschreiben, heißt es bei der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG).
Sieht man von dem Konstruktionsfehler ab, haben offene Immobilienfonds auch ihre Vorteile: Langfristig werfen sie Erträge über der Inflationsrate ab, die Wertschwankungen sind geringer als bei Aktien, da sie direkt in fertige, vermietete Immobilien investieren. Auch das Risiko eines Totalverlusts ist gering. Doch sollte man nur langfristig in solche Fonds investieren und vorübergehende Schließungen aussitzen können. In Österreich gibt es sechs Fonds, von denen einer (der Real Invest Austria) einen Marktanteil von 63 Prozent hat. Weitere Fonds gibt es von Raiffeisen, Erste Group, Immo KAG und Semper Constantia.
Eine ganz andere Sache sind „geschlossene Fonds“: Dabei handelt es sich eigentlich um Beteiligungen an Unternehmen, die in Immobilien investieren. Will man vorzeitig aussteigen, muss man auf dem Sekundärmarkt einen Käufer für den Anteil finden.
Was Sie beachten sollten bei... offenen Immobilienfonds
Tipp 1
Zeithorizont.Kurzfristanleger sollten von offenen Immobilienfonds die Finger lassen: Der Ausgabeaufschlag ist so hoch, dass sich ein Investment unter einem Jahr nicht lohnt. Auch besteht die Gefahr, dass der Fonds vorübergehend schließen muss. Dann sollte man das Geld nicht dringend brauchen. Zudem kann der Wert der Fondsanteile schwanken.
Tipp 2
Vergleiche. Offene Immobilienfonds unterscheiden sich nicht nur bei Erträgen (zuletzt warfen die heimischen Fonds zwischen zwei und fünf Prozent ab). Vor dem Kauf sollte man auch nach der Anlegerstruktur fragen: Gibt es viele institutionelle Kunden, ist die Gefahr, dass diese gleichzeitig ihr Geld abziehen und der Fonds schließen muss, größer.
Tipp 3
Alternativen. Für risikobereite Anleger, die in Immobilienpapiere investieren wollen, sind Aktien eine interessante Alternative: Die heimischen Immoaktien gelten als unterbewertet. Freilich ist auch das Risiko höher als bei Fonds. Für Wohlhabende, die sich auskennen, werfen unter Umständen „geschlossene Fonds“ mehr ab als offene.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2011)