Aus Furcht vor hohen Inflationsraten greifen Anleger auf ihre Ersparnisse zurück und kaufen Wohnungen. Daher werden bei den Bausparkassen mehr Kredite nachgefragt.
Wien/Höll. Die Leute rennen den Bausparkassen die Türen ein. Von Jänner bis November 2011 wurden allein bei der S-Bausparkasse fast 715 Mio. Euro an neuen Darlehen abgeschlossen, um 21,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Es sei bei den Österreichern angekommen, „dass Investieren in die eigenen vier Wände Sinn hat“, sagt S-Bausparkassen-Chef Josef Schmidinger.
Aus Angst vor einer hohen Inflation flüchten viele Anleger in Immobilien. Der Österreichische Verband der Immobilientreuhänder (ÖVI) bestätigt den Trend. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem normale Menschen Sparbücher und manchmal Lebensversicherungen auflösen und fragen, wie kann ich 50.000 bis 500.000 Euro in Immobilien investieren“, schildert Immobilienmakler Andreas Wollein. Den Kunden gehe es nicht um die Rendite, sondern um das sichere „Parken“ ihrer Ersparnisse.
Niedrige Kreditzinsen
Wer nicht genügend Geld für den Kauf einer Wohnung hat, beantragt meist ein Bauspardarlehen. Denn dort können die Zinsen auf maximal sechs Prozent pro Jahr steigen. Derzeit sind sie allerdings niedriger. Die S-Bausparkasse bietet etwa ein Modell mit einem jährlichen Zinssatz von 2,7 Prozent der Darlehenssumme an. Dieser Zinssatz wird für 18 Monate garantiert, danach wird der Wert an das allgemeine Marktniveau angepasst. Die Bausparkassen versichern, dass die Sechs-Prozent-Grenze hält, auch wenn die Inflationsrate auf ein höheres Niveau steigen sollte. Es sei denn, dass bei einer hohen Inflation der Gesetzgeber eingreift und rückwirkend die Verträge ändert. „Ich glaube aber nicht, dass wir uns unmittelbar vor einer hohen Inflation fürchten müssen“, meint Schmidinger. Der Run auf Immobilien und Bauspardarlehen hat mehrere Ursachen und Folgen:
• Preise für Immobilien schießen in die Höhe. Laut ÖVI sind die Preise für Wohnungseigentum in Österreich in den letzten zwei bis drei Jahren um jeweils fünf bis sechs Prozent gestiegen. Immobilien in Spitzenlagen verteuerten sich um 20 bis 25 Prozent. In Deutschland warnen Experten vor einer Blase. In Berlin zahlen Privatanleger für Eigentumswohnungen inzwischen Preise, die in keinem Verhältnis mehr zum Wert der Immobilien stünden, warnte jüngst Thomas Zinnöcker, Chef der Wohnungsgesellschaft GSW.
Der Wiener Immobilienmakler Wollein glaubt nicht, dass in Österreich der Preisanstieg in den kommenden zwölf Monaten in gleichem Ausmaß weitergehen wird. Ein Sinken der Preise sei aber vorerst auch nicht absehbar. Eine echte Immobilienpreisblase wie in den USA habe es in Österreich noch nie gegeben. Doch sind auch in Österreich die Mieten im Verhältnis zu den Preisen zuletzt nur schwach gestiegen.
• Sparen wird ein Verlustgeschäft: Die Europäische Zentralbank senkte jüngst den Leitzins für die Eurozone auf den historischen Tiefstand von einem Prozent. Erste-Bank-Chefanalyst Friedrich Mostböck sieht noch Potenzial nach unten. Im Gegensatz dazu bleibt die Teuerungsrate unverändert hoch. Laut Schätzung des europäischen Statistikamts Eurostat wird für November eine Preissteigerung von drei Prozent erwartet. Die genauen Daten sollen am heutigen Donnerstag veröffentlicht werden.
Wegen der niedrigen Zinsen wird weniger gespart. Bei der S-Bausparkasse sind die Neuverträge beim Ansparen seit Jahresbeginn um 12,1 Prozent zurückgegangen. Die Bausparkasse verfügt über Spareinlagen in der Höhe von 6,237 Mrd. Euro. Im Gegensatz dazu stiegen die Ausleihungen auf 6,951 Mrd. Euro.
• Neue Steuerpläne: Wer eine Wohnung nach einer Behaltefrist von zehn Jahren verkauft, zahlt keine Abgaben. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will hier aber künftig eine Steuer von 25 Prozent auf den Veräußerungsgewinn (aktueller Verkaufspreis minus einstiger Kaufpreis) einheben. Seinen Angaben zufolge könnte der Staat damit jährlich 700 Mio. Euro einnehmen. Bausparkassen-Chef Schmidinger glaubt, dass nur 40 bis 60 Mio. Euro herauskommen, weil es viele Umgehungsmöglichkeiten gibt.
Was Sie beachten sollten bei... Immobilien und Bauspardarlehen
Tipp 1
Immobilienpreise. Immobilien, vor allem Wohnungen in Ballungszentren wie Wien, haben sich in den vergangenen Jahren sehr stark verteuert. Die Kaufpreise steigen dabei deutlich schneller als die Mieten an. Diese Schere dürfte sich irgendwann wieder schließen. Als Käufer sollte man sich nicht allzu starke Wertsteigerungen erwarten.
Tipp 2
Kreditkosten. Wer sein Heim kreditfinanziert, muss mit steigenden Zinsen (und wachsenden Raten) in den nächsten Jahren rechnen. Das trifft meist auch auf Fixzinsvereinbarungen zu, da diese selten für die gesamte Laufzeit gelten. In jedem Fall sollte man durchrechnen lassen, welche Ratenbelastung man bei welchem Zinsszenario zu erwarten hat.
Tipp 3
Zeitpunkt. Bauspardarlehen haben den Vorteil, dass es ein Worst-Case-Szenario (sechs Prozent Zinsen) gibt. Nimmt das Interesse an solchen Verträgen aber zu, könnten weniger Darlehen vergeben werden, für Neuverträge könnten sich die Konditionen verschlechtern. Derzeit beträgt die maximale Darlehenssumme 180.000 Euro pro Person.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2011)