Sparerenteignung auf dem Höhepunkt

Sparerenteignung auf dem Höhepunkt
Sparerenteignung auf dem Höhepunkt(c) dpa/Boris Roessler (Boris Roessler)
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Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf ein historisches Tief gesenkt. Damit verschlechtert sich die Situation für die Sparer und viele Anleger noch einmal. Sie zahlen für die Krise.

Wien/Ker. Vorige Woche haben die Banker der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder eindrucksvoll vor Augen geführt, wer für die Wirtschafts- und Schuldenkrise in Europa zu bezahlen hat: die Sparer. Die EZB hat den Euroleitzins von 0,75 auf 0,5 Prozent gesenkt. Somit ist dieser niedrig wie nie zuvor. EZB-Präsident Mario Draghi schloss weitere Zinssenkungen nicht aus. Für wen wirkt sich die Entscheidung negativ aus? Und was können Privatanleger in dieser Zinsmisere tun?

An die Geldmarktzinsen (zu denen die Banken einander Geld leihen) sind viele Zinsprodukte und Darlehen gebunden. Etwa an die wichtigen Referenzzinssätze „Euribor 3 Monate“ und „Euribor 12 Monate“. Die liegen aktuell bei 0,2 bzw. 0,5 Prozent. Das sind extrem niedrige Werte, die sich bei den Sparkonditionen der heimischen Banken deutlich bemerkbar machen.

Sparzinsen werden noch tiefer sinken

Ein Beispiel: Bei der Raiffeisenbank in Wien bekommt man für ein einjähriges Sparbuch nicht mehr 1,75 Prozent wie vor rund einem Jahr. Sondern nur mehr 0,5 Prozent. Wenn die Inflation zwei Prozent ausmacht, erleidet der Sparer damit einen realen Verlust von über 1,5 Prozent nach Steuern. Die schlechte Nachricht: Wegen der fallenden Zinsen auf den Märkten könnten die Sparzinsen früher oder später noch einmal zurückgehen, sagt ein Raiffeisen-Bankberater im siebten Bezirk. Mit anderen Worten: Das untere Ende der Zinsfahnenstange ist noch nicht erreicht. Die Alternative: Bei Direktbanken wie der Vakifbank und der Denizbank gibt es noch 1,6 Prozent und mehr (Stand: Freitag). Mit diesen Zinsen erleidet der Sparer zumindest einen deutlich geringeren Realverlust als bei den Filialbanken.

Für einen variablen Bausparvertrag wird es in den nächsten Jahren wohl nur die jährliche Mindestverzinsung von einem Prozent p.a. geben. Leider schaut die Alternative auch nicht rosig aus. Denn für einen Fixzinsbausparer bekommen die Kunden derzeit nur mehr 1,5 Prozent jährlich. Berücksichtigt man die Steuer, die staatliche Prämie und die jährlichen Kosten, erzielt der Kunde mit der Fixzinsvariante nur mehr eine jährliche Effektivverzinsung von rund 1,4 Prozent (wenn er die Sparbeträge jährlich vorschüssig einzahlt).

Das Horrorszenario für variable Bausparverträge: Nach einem fixen Einstiegszinssatz von drei Prozent fällt die Verzinsung für die nächsten fünf Jahre auf ein Prozent p.a. ab. Dann macht die effektive Verzinsung rund ein Prozent jährlich aus. Der reale Verlust nach Abzug der Inflationsrate ist dann schon deutlich.

Zinsvorteil bei Franken-Kredit schwindet

Das extrem tiefe Zinsniveau macht die Situation auch für Lebensversicherungen nicht einfacher. Nicht nur, dass der Garantiezins nur mehr bei 1,75 Prozent liegt. Die Spesen bei diesen Anlagen sind enorm. Zudem kämpfen die Assekuranzen mit neuen Regelungen. Die jährliche Gesamtverzinsung von Lebensversicherungen macht nicht mehr fünf Prozent aus wie vor zehn Jahren, sondern nur mehr knapp drei Prozent. Das ist freilich der offizielle Wert, den die Versicherungen bekannt geben. Netto liegt die jährliche Rendite für den Kunden wohl eher bei 1,5 Prozent.

Niedrige Eurozinsen, das schmeckt auch den heimischen Franken-Kreditnehmern nicht. Denn wenn die Eurozinsen niedrig sind, sind Euroveranlagungen für Investoren unattraktiver. Daher werden sich tendenziell wenige von ihnen aus dem Schweizer Franken in den Euro locken lassen. Somit hat der Eurokurs kaum Aufwärtspotenzial zum Franken. Das heißt wiederum, dass die Franken-Kreditnehmer weiterhin relativ hohe (Buch-)Kursverluste ihrer Darlehen zu verbuchen haben.

Aber nicht nur das: Der Zinsvorteil eines Franken-Kredits ist praktisch nicht mehr vorhanden. Der Drei-Monats-Euribor (relevant für Eurofinanzierungen) notiert bei 0,2 Prozent, der Franken-Libor (relevant für Franken-Finanzierungen) bei 0,02 Prozent. Der Unterschied macht läppische 0,18 Prozentpunkte aus. Bei einem Franken-Kredit im Gegenwert von 100.000 Euro erspart sich der Kunde gerade einmal 15 Euro monatlich (bei einer Zinsspanne von 1,5 Prozent).

Allgemein können sich Kreditnehmer aber eher freuen. Ihre variablen Darlehen kosten derzeit relativ wenig. Trotz des extrem niedrigen Zinsniveaus ist es aber nicht immer sinnvoll, sich diese Kreditzinsen mit Zinscaps jetzt kostengünstig abzusichern. Die Marktzinsen müssten in den nächsten Jahren extrem steigen, damit sich dieses Geschäft für die Kunden auszahlt. Solche Zinssprünge erscheinen heute allerdings unrealistisch.

Auf einen Blick

Die Zinsen in der Eurozone sind extrem tief. Das wird sich so schnell nicht ändern, wie die Europäische Zentralbank in der Vorwoche klargemacht hat. Sparbücher, Bausparverträge, Lebensversicherungen leiden unter dieser Situation. Die noch vielen heimischen Franken-Kreditnehmer können sich auch nicht freuen. Der Zinsvorteil der Franken-Kredite ist praktisch nicht mehr vorhanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2013)

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