Let's make money: Milchmädchenhausse

Traders are pictured at their desks in front of the DAX board at the Frankfurt stock exchange
Traders are pictured at their desks in front of the DAX board at the Frankfurt stock exchangeREUTERS
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Warum sich die Anzeichen für eine gefährliche Milchmädchenhausse häufen und VW Vorzüge derzeit kaum zu bremsen sind.

Wenn Taxifahrer und Friseure beginnen, ihre Kunden in Diskussionen über die tollen Gewinnchancen an der Börse zu verwickeln und die Börsenberichte in den Zeitungen von den hinteren Finanzseiten in die Cover-Region wandern, dann ist die sogenannte Milchmädchenhausse ausgebrochen. Eine ziemlich gefährliche Situation: Beschreibt sie doch das letzte Aufbäumen der Kurse vor der nächsten größeren Korrektur. Es ist die Zeit, in der die Profis beginnen, ihre in der Baisse billig erworbenen Papiere zu Höchstpreisen an die immer verlierenden Amateure abzugeben.

In der abgelaufenen Woche hat es erste Anzeichen einer beginnenden Milchmädchenhausse gegeben: Als der deutsche Leitindex DAX an der 9000er-Marke zu kratzen begann und diese mehrmals übersprang, fand man eine Reihe von euphorischen Berichten dort, wo man sie normalerweise nicht vermuten würde. Samt dazu gehörenden ebenso euphorischen Prognosen.

Was soll man davon halten? Geht der deutsche Leitindex wirklich noch heuer durch die 10.000er-Decke? Könnte sein, aber Haus und Hof würde ich darauf nicht verwetten. Die Rekordjagd, die DAX, Dow, Nasdaq und Co. derzeit hinlegen, sieht nämlich schon verdammt überhitzt aus. Vor allem aber: Sie hat keinerlei Entsprechung in der makroökonomischen Entwicklung. Im Gegenteil: Die Kurse steigen trotz anhaltend eher schlechter Nachrichten aus den USA und Europa so stark. Oder besser gesagt wegen der schlechten Nachrichten. Diese sind nämlich ein Garant dafür, dass die wichtigen Notenbanken die oftmals angekündigte Drosselung ihrer Liquiditätsschwemme immer weiter nach hinten verschieben müssen. Und solange dieses Geld sprudelt, schlagen die Aktienkäufer zu.

Mit anderen Worten: Die Börsen haben sich von wirtschaftlichen Fundamentalentwicklungen entkoppelt. Das ist immer ein schlechtes Zeichen, denn Aktien sind ja Unternehmensanteile. Und irgendwann kommen Aktienkäufer zur Besinnung – und sorgen dafür, dass Kurse und makroökonomische Fundamentaldaten wieder in Einklang gebracht werden. Auf der Strecke bleiben dann wie immer die Milchmädchen, die viel zu teuer gekauft haben und in der Erwartung, dass es nur aufwärtsgehen kann, eisern an ihren Werten festkleben.

Damit ist die Handlungsanleitung für die kommenden Wochen und Monate schon klar: Nicht die Nerven verlieren, Gewinne laufen lassen, sich bietende Chancen auch durch Neukäufe nutzen, aber noch mehr als sonst in Bremsbereitschaft bleiben und beim Kippen des Trends beherzt verkaufen. Spesen sind heutzutage kein Argument mehr gegen oftmaliges Handeln.

Eine Branche, der schlechte Konjunktur derzeit offenbar nichts anhaben kann, sind die Autohersteller. Bresser gesagt: die deutschen Autohersteller. Sie fahren der Krise einfach davon. In der Vorwoche hatte der Mercedes-Hersteller Daimler nach guten Zahlen ein Kaufsignal generiert, diese Woche war VW dran: Nach guten Quartalsdaten schossen VW Vorzüge (ISIN DE0007664039) zur Wochenmitte an einem einzigen Tag um mehr als fünf Prozent in die Höhe. Das Papier hat damit ein charttechnisches Kaufsignal generiert. Allerdings ist die Aktie schon ziemlich weit gelaufen. Viele Analysten halten die VW-Aktie trotzdem noch für günstig bewertet. Die Commerzbank beispielsweise hat zur Wochenmitte ihre Kaufempfehlung für VW-Vorzüge bestätigt und das Kursziel mit 205 Euro fixiert. Das wären doch mehr als zehn Prozent Potenzial vom jetzigen Kursniveau. Warburg Research tippt sogar auf 217 Euro Kursziel.

Nicht zu bremsen ist im Augenblick auch die Aktie von Nokia (ISIN FI0009000681). Seit die Handysparte (offenbar wirklich ein Riesenklotz am Bein) weg ist, steigt der Wert deutlich schneller, als selbst die optimistischen Analysten mit ihren Kurszielanhebungen nachkommen. Diese Woche hat Nokia wieder ein paar Kaufempfehlungen ausgefasst, darunter eine von Merrill Lynch. Die Topkursziele liegen schon jenseits von sieben Euro. Allerdings gibt es auch Pessimisten, die das Nokia-Kursziel deutlich unter dem jetzigen Wert ansetzen. Aufpassen ist also angesagt.

Eine Kaufempfehlung hat es auch für die österreichische RHI (ISIN AT0000676903) gegeben. Auch diese Aktie sieht gut aus. Allerdings ist RHI sehr stark von der konjunkturempfindlichen Stahlindustrie abhängig, was sie heikel werden lässt.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2013)

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