Welt-Sparerverhöhnungstag

Warum der Welt-Sparerverhöhnungstag den Fokus wieder auf Aktien lenkt und wie Kreditkarten zur guten Anlage werden.

Möglicherweise hat die US-Notenbank Fed in der abgelaufenen Woche eine Art Zeitenwende an den Börsen eingeläutet: Sie hat die Zinsen zwar nahe Null belassen, aber ihr Anleihenkaufprogramm (also das „Gelddrucken“) eingestellt. Sie hält die US-Konjunktur demnach für robust genug, um sie nicht mehr mit Liquidität zu überschwemmen.

Das ist für Aktionäre nicht unbedingt eine gute Nachricht, denn die Aktienkurse hatten sich in Zeiten des „Quantitative Easing“ in einer Weise von der wirtschaftlichen Entwicklung der entsprechenden Unternehmen „emanzipiert“, dass einem bei Ansicht der Bewertungen schon einmal schwindlig werden könnte. Gut möglich also, dass wir in nächster Zeit ein mühsames Börsengelände betreten.

Allerdings geht die konjunkturelle Entwicklung in Europa in die genau entgegengesetzte Richtung: Die Konjunkturlokomotive Deutschland lahmt (was das Wachstum auch in Österreich praktisch zum Stillstand gebracht hat), an der südeuropäischen Peripherie droht eine ausgewachsene Deflation. Die EZB muss hier gegenhalten und ist demgemäß dabei, die Dicke Bertha aus dem Waffenschrank zu holen. Leicht möglich, dass die EZB ein bisschen in die Fed-Rolle schlüpft (die japanische Notenbank tut das neuerdings ja exzessiv) und die Party am Laufen hält. Das würde die Situation jetzt etwas entschärfen. Aber mittelfristig müssen Aktionäre schon damit rechnen, dass sich die Marktverzerrungen, die die Notenbanken in den vergangenen Jahren betrieben haben, wieder auflösen und Aktienkurse wieder mehr Übereinstimmung mit Fundamentaldaten finden. Nach oben werden sie dabei eher nicht gehen.

Freilich dürfte die Nachfrage nach Anteilspapieren aus einem anderen Grund hoch bleiben: Anlagenotstand. Gestern war ja wieder einmal Weltspartag, der eigentlich in „Welt-Sparerverhöhnungstag“ umbenannt werden sollte. Gerade rechtzeitig hat ja erstmals eine deutsche Bank Negativzinsen auf Sparguthaben eingeführt. Zwar eher symbolisch, denn die Maßnahme betrifft nur Sparbücher mit mehr als 500.000 Euro Einlage, und so etwas halten ohnehin nur Finanz-Masochisten. Aber immerhin: Die Richtung ist klar. Das einzig wirklich Sichere an Sparguthaben ist in nächster Zeit die kontinuierliche Kapitalvernichtung.

Und Edelmetalle sind auch keine wirkliche Anlagealternative. Am Freitag sind Gold- und Silberpreise auf Vierjahrestiefs gerumpelt. Und wenn es blöd zugeht, werden wir den Goldpreis bald in der Gegend der 1100-Dollar-Marke beobachten. Das einzig Positive daran: Eine wirklich große Krise mit Währungszusammenbrüchen scheinen Anleger, wenn man Gold dafür als Indikator nimmt, in nächster Zeit eher nicht zu befürchten.

Aktien bleiben also, auch wenn sich das Klima eingetrübt hat, die Anlage der Wahl. Allerdings verzichten wir jetzt auf Experimente und halten uns eher an große, etablierte Unternehmen mit guten Aussichten und wenig Rückschlagspotenzial.

Als solche können beispielsweise Papiere der Kreditkartenunternehmen Visa (ISIN US92826C8394) und Mastercard (ISIN US57636Q1040) gesehen werden. Zumal die beiden zu den wenigen Werten gehören, bei denen das konjunkturbedingte Ende der Fed-Geldschwemme ausgesprochen positive Auswirkungen hat: Sie profitieren von der seit Sommer stark angestiegenen Konsumlaune der amerikanischen Verbraucher. Beide Unternehmen haben in der abgelaufenen Wochedeutliche Gewinnsteigerungen gemeldet. Die Börsenkurse haben daraufhin entsprechend angezogen. Es gibt aber noch ausreichend Luft nach oben.

In Deutschland hat in dieser Woche der Volkswagen-Konzern positive Nachrichten geliefert. Obwohl VW selbst derzeit nicht so besonders brummt, wird der Konzern heuer mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Rekord-Betriebsgewinn von mehr als 12 Mrd. Euro einfahren. Schuld daran ist, dass Audi und Porsche (also nicht gerade die Konzernmarken mit den niedrigsten Margen) auf den Märkten gerade Vollgas geben. Das konjunkturbedingt schwächere Europa-Geschäft kann der global agierende Konzern in Asien locker kompensieren. Den VW-Vorzugsaktien (ISIN DE0007664039) werden an die 30 Prozent Kurspotenzial zugetraut. In Deutschland könnte eine heuer bisher eher durchwachsen performende Windkraftaktie demnächst abheben. Meint zumindest Merrill Lynch. Die Amerikaner haben diese Woche den TecDax-Wert Nordex (ISIN DE000A0D6554) mit einer Kaufempfehlung und dem Kursziel 16 Euro versehen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2014)

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