Warum "sell in may" heuer kein schlechter Tipp ist

(c) APA (Barbara Gindl)
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Warum "sell in may" heuer kein schlechter Tipp ist und wie Mastercard von der Öffnung des China-Markts profitiert.

Wir hören zwar immer noch da und dort von Börserekorden– jüngst etwa von der Nasdaq – aber ein Blick auf die Dreimonatscharts zeigt: Seit Mitte März ist irgendwie die Luft heraußen. In den USA läuft es im Prinzip seitwärts, in Frankfurt ist der DAX genau genommen auf dem Weg nach unten. Vom heuer erreichten Allzeithoch sind die DAX-Notierungen jetzt jedenfalls schon wieder ein schönes Stück – an die 500 Punkte nämlich – entfernt. Mit anderen Worten: Der in dieser Intensität unerwartete 2015er-Boom ist vorerst einmal vorbei.

Irgendwann brechen die Kurse aus einer Seitwärtsbewegung aus. In den kommenden Wochen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie das nach unten tun, deutlich größer als ein neuer Aufschwung. Für Langfristanleger ist das noch kein großer Beinbruch, denn die Untergrenze des seit 2011 intakten Aufwärtstrendkanals, an dessen oberen Ende sich die DAX-Notierung derzeit tummelt, liegt unter 10.000 Punkten. Erst danach hätte der deutsche Leitindex seinen langfristigen Aufwärtstrend gebrochen.

Es ist aus heutiger Sicht auch nicht sehr wahrscheinlich, dass der Index das tatsächlich austestet. Aber ein Stück nach unten könnte es schon noch gehen. Für Anleger, die nicht in Jahrzehnten denken, weil sie nicht mehr 30 Jahre von der Pension entfernt sind, ist der dabei drohende Kursverlust von zehn und mehr Prozent jedenfalls zu viel. Es ist in nächster Zeit zumindest auf den europäischen Märkten also ein bisschen auf Absicherung und Kapitalerhalt zu achten. So nach der alten Börsianerdevise „sell in may and go away“, die heuer besonders aktuell zu werden scheint.

Einstiegsgelegenheiten sucht man derzeit eher auf den etwas weniger überhitzten Märkten jenseits des Atlantiks. Und da haben gerade in den vergangenen Tagen ein paar große Schlachtschiffe, die ja wesentlich sicherer sind als renditeträchtige, aber niedrig kapitalisierte Hot Stocks, auf sich aufmerksam gemacht.

Der Zahlungsdienstleister Mastercard (ISIN US57636Q1040) etwa. Der global tätige Kreditkartenanbieter hatte in Sachen Börsenperformance in letzter Zeit ein bisschen pausiert, in der vorigen Woche aber einen netten Satz gemacht. Grund dafür war die Nachricht, dass China seinen Markt für Bankkartentransaktionen demnächst auch Ausländern öffnet. Der Markt ist riesig und schafft ungeahnte Wachstumsmöglichkeiten. Der Aktie wird das gut tun. Experten geben dem Papier jetzt ein Wachstumspotenzial bis in die Gegend von 110 bis 115 Dollar. Derzeit notiert die Aktie rund um 90.

Gute Nachrichten kommen neuerdings auch von der „Mutter der PC-Betriebssysteme“, Microsoft (ISIN US5949181045). Der Softwareriese, dessen Kurs zuletzt geschwächelt hat, hat nach der Präsentation des Quartalsergebnisses am Freitag einen achtprozentigen Freudensprung hingelegt. Der Gewinn lag zwar unter dem Vergleichswert, das hatte aber mit dem Umbau des Geschäfts zu tun. Und die Impulse, die von dort kommen, haben die Aktionäre offenbar begeistert. Der Ausbau des Cloud-Computing-Geschäfts und die offenbar gelungene Restrukturierung des von Nokia übernommenen Handygeschäfts haben jedenfalls den zuletzt deutlich schwächelnden Absatz von Windows- und Office-Software mehr als kompensiert. Nach dem starken Kurssprung vom Freitag notiert Microsoft jetzt knapp unter 47 Dollar. Wenn es der Aktie gelingt, den Schwung mitzunehmen und das knapp über 49 Dollar liegende Vorjahreshoch zu „reißen“, dann ist das Kaufsignal da.

Cloud Computing ist auch das Erfolgsgeheimnis der eher als Onlinehändler bekannten Amazon Inc. (ISIN US0231351067). Amazon macht schon gut sieben Prozent seines Umsatzes mit seinen Amazon Web Services, also der Bereitstellung von Rechnerkapazitäten für andere Unternehmen. Im Gegensatz zum Online-Buchhandel ist dieses Geschäft sehr margenstark. Die Erlöse dieser Sparte verdoppelten sich im ersten Quartal jedenfalls. Damit hatten die Aktionäre nicht gerechnet – weshalb die Aktie am Freitag um gut 15Prozent nach oben sprang, obwohl die an diesem Tag veröffentlichte Quartalsbilanz einen kleinen Verlust auswies. Der möglicherweise überzogene heftige Kurssprung vom Freitag trägt zwar den Keim für einen kurzfristigen kleinen Rücksetzer in sich. Aber auf die Beobachtungsliste setzen kann man den neuerdings in der Cloud grasenden Onlinehändler jedenfalls.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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