Kurslawine - bitte ausweichen!

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Warum man der talwärts rollenden Kurslawine am besten ausweicht und welche Aktien trotzdem auf die Beobachtungsliste gehören.

Die Dämme beginnen jetzt wohl zu brechen: In den vergangenen Tagen sind auch die US-Indizes weggekippt. Das hat dem deutschen Leitindex DAX einen schweren Schlag versetzt. Und aus China kommen Signale, dass der dortige Kursrutsch noch ein ganzes Stück weitergehen wird, obwohl chinesische Indizes ohnehin schon fast ein Drittel verloren haben.

Ein deutscher Analyst hat das gestern mit einer Lawine verglichen, die gerade so richtig ins Rollen geraten ist. Als Bewohner einer Alpenrepublik kennt man die in diesem Fall überlebensnotwendige Faustregel: Einer Lawine weicht man großräumig aus. Zumal es selbst ausgefuchsten Lawinenbeobachtern nicht gelingt, auch nur ansatzweise vorherzusagen, wo eine einmal ins Rutschen geratene Lawine stehen bleiben wird.

Es gilt also weiter eisern die an dieser Stelle schon vor Wochen ausgegebene Empfehlung, dem Markt fern zu bleiben. Hier korrigieren teilweise krass überbewertete Märkte, und es gilt die alte Börsenregel, dass man niemals versucht, ein fallendes Messer aufzufangen.

Grundsätzlich müssen wir uns an den Märkten in den nächsten Monaten eher auf schwierige Zeiten einstellen. Dafür sorgt schon China, dessen Konjunktur immer mehr Schwäche zeigt. Das bedeutet natürlich auch, dass chinesische Aktien noch immer krass überbewertet sind. Auf die Kurse hat die damit einhergehende Verunsicherung teilweise recht dramatische Auswirkungen. Auch auf die international tätigen und außerhalb Chinas notierten Unternehmen.

Ein Beispiel dafür lieferte in den vergangenen Tagen der auch an dieser Stelle schon mehrfach besprochene chinesische Solarhersteller Jinko Solar (ISIN US47759T1007), der nach konventionellen Kriterien sehr günstig bewertet ist: Der Konzern meldete vor zwei Tagen ein Ergebnis, das die Erwartungen der Analysten bei Weitem übertraf. Der Kurs rutschte als Reaktion auf die Frohbotschaft allerdings binnen 48 Stunden um kumuliert fast 16 Prozent ab. Das ist ein Börsenumfeld, von dem man am Besten die Finger lässt.

Dass, wie eingangs erwähnt, auch die bisher ziemlich stabilen US-Indizes einzubrechen beginnen, gilt als besonders bedenklich. Es gibt momentan wohl nur sehr wenige ernst zu nehmende Marktbeobachter, die glauben, dass der Boden schon bald erreicht ist. Nach den starken Abverkäufen der vergangenen Tage kann es zwar zu kurzfristigen Zwischenerholungen kommen. Davon sollte sich aber niemand täuschen lassen: Aktien wird man bald noch billiger bekommen, man kann sich mit Einstiegsszenarien also durchaus noch Zeit lassen.

Vorsicht ist jetzt selbst bei Papieren geboten, die von aktuellen Entwicklungen profitieren dürfen. Ein solches ist beispielsweise der kanadische Pharma-Multi Valeant Pharmaceuticals (ISIN CA91911K1021), der vor zwei Tagen die Übernahme von Sprout-Pharma angekündigt hat. Letzterer ist der Hersteller der „Lustpille für Frauen“, deren Zulassung in den USA in den vergangenen Tagen für weltweites Medienecho sorgte.

Valeant ist tatsächlich eine Aktie, die hervorragend performt (sie hat sich in fünf Jahren verzwölffacht) und das Depot durchaus schmücken könnte. Allerdings nicht wegen der „Lustpille“: Deren Umsatzpotenzial wird nur noch auf rund 100 Mio. Dollar geschätzt (zum Vergleich: Pfizer nimmt mit Viagra fast 1,8 Mrd. Dollar ein). Bei einer Valeant-Umsatzprognose von fast elf Mrd. Dollar also eher ein Klacks. Analysten sehen Valeant-Kursziele zwischen 270 und 290 Dollar, was bei einem aktuellen Kurs von weniger als 230 Dollar ein nettes Potenzial ergibt. Derzeit ist das Papier aber wie die meisten Aktien talwärts unterwegs, ein möglicherweise durchaus lohnender Einstieg kann noch bis zur Bodenbildung warten.

Für überlegenswert halten Analysten auch die Stammaktie des deutschen Autovermieters Sixt (ISIN DE0007231326). Nach hervorragenden Geschäftszahlen hat das Papier in der Vorwoche einige Kaufempfehlungen abgeräumt. Ganz einig sind sich die Analysten aber nicht: Die Kursziele für die derzeit bei rund 36 Euro notierende Aktie liegen zwischen 35 und 51 Euro. Das nennt man Spielraum!

Wie auch immer, auch hier gilt: Die Aktie gehört auf die Beobachtungsliste. Aber ein Kauf wird erst erwogen, wenn die Börsenlawine insgesamt zum Stehen gekommen ist.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)

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