Der Sommer geht, die Flaute bleibt

Traders are pictured at their desks in front of the DAX board at the Frankfurt stock exchange
Traders are pictured at their desks in front of the DAX board at the Frankfurt stock exchange(c) REUTERS
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Was das jüngst in den Charts aufgetretene Todeskreuz für Anleger bedeutet und was die Märkte von Apple erwarten.

Leider gibt es immer noch keine besseren Nachrichten von den Aktienmärkten. Wir halten also gleich einmal einleitend fest: Die Börsenampel steht auf Rot. Wer trotzdem weiterfährt, riskiert einen unschönen Unfall.

Die Ansichten einiger Analysten, wonach das Schlimmste überstanden, der Boden gefunden und damit das Umfeld für einen Wiedereinstieg perfekt sei, hat sich leider nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Je länger die sehr volatile Seitwärtsbewegung, die wir seit zwei Wochen sehen, dauert, desto bedenklicher sehen die Index-Charts aus. Die wichtigsten, Dow Jones, S&P 500 und DAX haben in den vergangenen Tagen das sogenannte Todeskreuz ausgebildet. Das entsteht, wenn die 50-Tages-Linie die 200-Tages-Linie von oben nach unten durchbricht. Das Todeskreuz gilt als sehr starkes Verkaufssignal. Nur zum Beispiel: Der ATX hat nach seinem letzten Todeskreuz fast 500 Punkte, gut ein Fünftel seines Werts, verloren.

Man kann solche Chartistenspielereien natürlich als lächerlichen Hokuspokus abtun (und immer funktionieren sie auch nicht lehrbuchgemäß), aber man sollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn die Chartanalyse wird von vielen ernst genommen und ist auch wesentlicher Bestandteil automatischer Handelsprogramme.

Sie funktioniert damit auf der Basis der Self fulfilling Prophecy: Wenn genügend Marktteilnehmer glauben, dass eine bestimmte Chartkonstellation ein bestimmtes Handlungsmuster erfordert (und auch danach handeln), dann bewegen sich die von Angebot und Nachfrage bestimmten Kurse eben exakt in die erwartete Richtung.

Im Augenblick sieht aber auch das fundamentale Umfeld nicht nach Höhenflug aus. Die Crashgefahr in China ist bei Weitem noch nicht gebannt, die ohnehin schwachen Konjunkturprognosen mussten zuletzt praktisch in allen relevanten Märkten zurückgenommen werden, die Zinsschrauben der Notenbanken laufen längst leer. Die nächsten Monate sehen für die Märkte also eher düster aus. Auch dann, wenn die Fed auf ihre mögliche September-Zinserhöhung verzichtet.

Wie weit es jetzt noch hinuntergeht, lässt sich noch nicht sagen (und die Analystenprognosen darüber liegen auch sehr weit auseinander). Aber dass der Boden noch nicht erreicht ist, dürfte klar sein. Unsere seit Wochen bestehende Empfehlung lautet also unverändert, dem Markt fernzubleiben. Wer es trotzdem nicht lassen kann, sollte größte Vorsicht walten lassen und immer den Notausgang im Auge behalten.

Letztere Gruppe sollte den 9. September beziehungsweise auch schon dessen Vorfeld im Auge behalten: Das wird ein Lostag für die Aktie von Apple(ISIN US0378331005). Die frühere Star-Aktie schwächelt ja seit einiger Zeit, weil den Nachfolgern von Steve Jobs nichts wirklich Revolutionäres mehr eingefallen ist. Am 9. September ist die nächste große Produktpräsentation und die gut geschmierte Marketingmaschinerie des Unternehmens baut schon professionell Spannung auf. Gerüchte sprechen unter anderem von der Präsentation eines neuen iPhone und einer engen Zusammenarbeit mit Hollywood in Form eines Streamingdienstes. Gut möglich, dass dies der lahmen Aktie ein bisschen Schwung verleiht. Denkbar allerdings auch, dass Apple-Chef Tim Cook wieder eine Enttäuschung liefert und damit den Kurs schnell noch weiter nach Süden schickt. Eine spannende Spekulation, mit anderen Worten.

Was tut sich sonst? Analysten geben natürlich auch in Zeiten wie diesen Marktempfehlungen ab. An den Spannweiten der Kursziele lässt sich freilich ablesen, dass auch die Sicht der Profis auf die Zukunft alles andere als einhellig und klar ist. Der Mercedes-Hersteller Daimler(ISIN DE0007100000), der sich derzeit noch am besten von allen Autoherstellern hält, hat diese Woche vergleichsweise gute Absatzzahlen aus China gemeldet. Das hat die Analysten von Equinet animiert, der Aktie eine unveränderte Kaufempfehlung mit Kursziel 108 zu verpassen. Ein Potenzial von satten 50 Prozent. Gleichzeitig hat ein Bernstein-Analyst Daimler mit „market perform“ eingestuft. Kursziel: 70. Das wäre dann ein Potenzial von null.

Für krass unterbewertet halten die Analysten von JP Morgan die Aktie des Chipsherstellers Infineon(ISIN DE0006231004). Deren Wert liege um 40 Prozent über dem aktuellen Kurs, hieß es.

josef.urschitz@diepresse.com diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2015)

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