Wie Fintechs die etablierte Bankenszene aufmischen

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Wie die derzeit massiv an die Börsen drängenden Fintechs die etablierte Bankenszene aufmischen und welches Potenzial in ihnen steckt.

Die Börsen haben sich jetzt auf vergleichsweise hohem Niveau stabilisiert, und die absehbaren Aktionen der Zentralbanken in Europa und teilweise auch in Asien sorgen dafür, dass die Aktienmärkte weiter mit anlagesuchendem Geld geflutet werden. Wir werden in nächster Zeit trotz schon hoher Bewertung wohl noch etwas höhere Kurse sehen, aber wirklich viel Geld wird kurzfristig nicht mehr zu machen sein.

Man kann jetzt also einmal in Ruhe die mittel- und längerfristige Positionierung überdenken. Und da empfiehlt es sich, den Scheinwerfer einmal auf eine Gruppe von Unternehmen zu richten, die derzeit nicht so im Blickpunkt der Kleinanleger stehen, auf längere Sicht aber wohl enormes Potenzial haben: Die sogenannten Fintechs (kommt von Financial Technology). Software-Unternehmen, die den traditionellen Banken als Bezahldienstleister, Kreditvermittler etc. unterdessen sehr ernste Konkurrenz machen. Und von diesen auch schon entsprechend ernst genommen werden: In der jüngsten Zeit häufen sich Meldungen über Kooperationen, die etablierte Banken mit aufstrebenden Fintechs abgeschlossen haben.

Der größere Teil der Unternehmen in diesem Sektor sind kleine Start-ups, die eher noch für Venture-Capital-Finnazierer interessant sind. In zunehmender Zahl tummeln sich aber Fintech-Milliardenunternehmen an der Börse. Und selbst die ganz Großen sind in dem Bereich tätig: Google und Apple halten sich mit Google Wallet und Apple Pay schon Bezahldienste, die zu den eher dynamischeren Teilen der beiden Konzerne gehören. Wer Aktien der beiden Tech-Riesen hält, hat also über Umwegen schon Fintechs im Portfolio.

Diese Woche hat es an der Wallstreet mit dem Bezahldienst Square(ISIN US8522341036) einen relativ spektakulären Fintech-Börsengang gegeben. Spektakulär deshalb, weil der Ausgabekurs mit neun Dollar für den Emittenten ziemlich enttäuschend ausfiel, die Aktie am nächsten Tag aber auf fast 14 Dollar hüpfte, bevor sie wieder in den Sinkflug ging.

So hoch wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht bleiben. Das sieht nämlich nach dem klassischen Emissionsbuckel aus, wenn die „Zugeteilten“ ihre Aktien an die übrig gebliebenen Anleger verhökern, die leichtsinnigerweise unlimitiert ordern. Square ist zu diesem Kurs krass überbewertet und wird wohl noch ein Stück zurückkommen, bevor es losgeht. Bei sieben oder acht Dollar könnte das aber der Fall sein.

Lending Club(ISIN US52603A1097) hat diese gesunde Korrektur nach einem zu hoch gepreisten IPO offenbar schon hinter sich (die Aktie notiert bei annähernd der Hälfte des Eröffnungskurses) und ist jetzt wieder auf dem Weg nach oben. Von diesem Fintech-Papier halten Analysten derzeit sehr viel. Allerdings eher auf mittlere Sicht. Lending Club ist eine Art elektronische Plattform zur Vermittlung von Krediten. Ein Geschäftsmodell, das in den USA sehr schnell wächst und die Banken bereits nervös zu machen beginnt. Eine Reihe von Instituten ist schon Kooperationen mit dem Aufsteiger eingegangen.

Ein ähnliches Geschäftsmodell (B2B-Vermittlung von Finanzdienstleistungen) betreibt die deutsche Hypoport AG(ISIN DE0005493365), der noch viel Potenzial zugeschrieben wird, obwohl sie auf Zwölfmonatsbasis schon um satte 520 Prozent zugelegt hat. Ein kleines Beispiel dafür, welche Potenziale in solchen Zukunftsaktien schlummern, wenn sie erst einmal von Anlegern entdeckt werden und die Post so richtig abgeht.

Ansehen sollte man sich auch den vor ein paar Monaten von eBay abgespaltenen und an die Börse gebrachten Bezahldienstleister Paypal(ISIN US70450Y1038), bei dem zurzeit eine interessante Entwicklung in Gang ist. Erstens ist die Aktie dabei, ein charttechnisches Kaufsignal zu generieren, und zweitens hat der US-Großinvestor Carl Icahn seine eBay-Anteile in PayPal umgeschichtet. Was auch als starkes Signal dafür gilt, dass die Aktie bald abfahren könnte.

Mit Bezahllösungen verdient ebenso die im TecDAX notierende deutsche Wirecard(ISIN DE0007472060) ihr Geld. Das seit Langem etablierte Unternehmen hat zuletzt ein wenig geschwächelt, sieht jetzt aber wieder wie ein klarer Kauf aus. Wirecard zeigt übrigens ganz schön das Potenzial, das in Fintechs stecken kann: Wer vor zehn Jahren zugeschlagen hat, hat seinen Einsatz unterdessen um knapp 1900 Prozent vermehrt.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2015)

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