Achtung, Kurslawinengefahr!

SCHNEECHAOS IN OESTERREICH: VERSORGUNGSFLUG NACH RADMER
SCHNEECHAOS IN OESTERREICH: VERSORGUNGSFLUG NACH RADMERAPA
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Warum Analysten vor einer deflationären Weltkrise warnen und Privatanleger in dieser Lage die Börsen strikt meiden sollten.

"Verkaufen sie alles, außer Qualitätsanleihen": Was die Kunden der Royal Bank of Scotland (RBS) Anfang voriger Woche in ihren Mailboxen vorfanden, war nicht von schlechten Eltern. RBS-Europa-Analyst Andrew Roberts warnte darin vor einer Weltwirtschaftskrise, die auch die Börsen zusammenbrechen lassen könnte. Die RBS geht davon aus, dass es in diesem Jahr, das ohnehin schon crashartig begonnen hat, in Europa und den USA noch mindestens um 20 Prozent hinuntergehen wird. Es könnte aber auch deutlich mehr werden, denn die Stresssignale, die die Märkte gerade aussenden, erinnern den RBS-Experten frappant an das Vorfeld der Krise um Lehman Brothers im Jahr 2008. Und damals hatten die Börsen 50 Prozent und mehr verloren.

Roberts warnt vor einer Lawine, die zu Jahresbeginn an den chinesischen Börsen losgetreten worden ist. Diese Lawine werde sich zu einer deflationären Weltkrise auswalzen, Wer nicht mitgerissen werden will, müsse jetzt zusehen, wie er schnell aus der Lawinenbahn herauskomme.

Roberts rechnet damit, dass der Ölpreis, der erst kürzlich die 30-Dollar-Marke nach unten durchschlagen hat, auf bis zu 16 Dollar zurückfällt. Vor allem deshalb, weil die unter extremen finanziellen Druck geratenen Opec-Länder nicht in der Lage sein werden, die weiter zurückgehende Nachfrage aus Asien mit entsprechenden Förderkürzungen zu kompensieren.

Die daraus entstehenden Verwerfungen werden zu zahlreichen Krisenerscheinungen führen und den Welthandel dämpfen. In dieser Lage ergebe es auch keinen Sinn, die Krise mit Dividendenpapieren aussitzen zu wollen. Denn die deflationäre Krise werde sich deutlich auf die Unternehmensergebnisse auswirken – und die Unternehmen zu starken Dividendenkürzungen zwingen.

Roberts Ansage: Alles verkaufen, denn es gehe nun nicht mehr um Rendite, sondern um die Rettung des Kapitals. Viel Zeit solle man sich dabei nicht mehr lassen, denn wenn den Anlegern erst einmal bewusst werde, dass das Haus in Flammen steht, könnte es bei den Notausgängen aus dem Börsensaal eng werden.

Roberts steht mit dieser Ansicht nicht allein da, auch andere Großbanken beginnen, schlimme Szenarien zu verbreiten. Morgan Stanley etwa hat seine Vorschau ebenfalls deutlich zurückgeschraubt. Goldman Sachs ebenso. Die beiden sehen es zwar nicht ganz so katastrophal wie die RBS, aber der von ihnen prophezeite Ölpreis von 20 Dollar hätte genügend gravierende Auswirkungen. Den Vogel schießt freilich ein Analyst der Société Générale ab: Albert Edwards rechnet mit einem besonders starken Absturz des US-Marktes. Nämlich um 75 Prozent.

Das scheint reichlich übertrieben zu sein, aber auszuschließen ist gar nichts: Wenn die Lawine einmal rollt, kann niemand abschätzen, wo sie zu stehen kommen wird. Edwards hat für seine extrem pessimistische Einschätzung allerdings ein plausibles Argument: Die Notenbankpolitik, die mittels Geldschwemme die derzeitigen Aktienblasen hat entstehen lassen, macht jetzt Rettungsaktionen sehr schwierig. Wenn die Weltwirtschaft in eine Rezession rutscht, werde diese von den Zentralbanken nicht mehr adäquat bekämpft werden können, weil die stärkste Waffe – die Zinssenkung – bei Zinsen, die jetzt schon um die Null-Prozent-Zone liegen, nicht mehr einsetzbar ist.

Die meisten Analysten gehen jetzt jedenfalls davon aus, dass die Zinswende in den USA praktisch schon wieder vorbei ist. Statt mehrere Zinsschritte nach oben zu setzen, wie noch vor Kurzem vorgesehen war, werde der Fed wohl nichts anderes übrig bleiben, als es beim kürzlich durchgeführten kleinen Zinsschritt zu belassen. Oder diesen sogar zurückzunehmen.

Das könnte kurzzeitig den Börsencrash stoppen. Freilich nicht nachhaltig. Wir haben an den wichtigsten Märkten seit Jahresbeginn einen stabilen Abwärtstrend. Innerhalb dieses Trends wird es kurzfristig immer wieder kleine Bärenmarktrallyes geben. Diese sind aber vorerst nur für passable Ausstiegskurse gut und keinesfalls für Nachkäufe oder den Aufbau neuer Positionen.

Auch wenn es nicht ganz so dick kommt, wie die Katastrophenauguren in den Analyseabteilungen glauben: Wir sind vom Boden noch weit weg. Wer sein Kapital erhalten will, sieht jetzt also zu, dass er vom Spielfeld möglichst schnell an die rettende Seitenlinie kommt.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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