Warum die Börsen für konservative Privatanleger noch zu riskant sind

(c) REUTERS (RICKEY ROGERS)
  • Drucken

Und Microsoft trotz Handyflops nach oben drängt.

Die Weltbörsen stehen am Ende der Handelswoche ungefähr dort, wo sie am Anfang gestanden sind. Viel hat sich in den letzten Tagen an den Märkten also nicht getan. Dabei hat es ja eine Reihe von Meldungen gegeben, die die Kurse wirklich hätten beflügeln können – und in einem intakten Markt auch beflügelt hätten.

So sind beispielsweise die darniederliegenden Ölnotierungen, die die Börsen in den vergangenen Wochen extrem gedrückt haben, in wenigen Tagen um fast 25 Prozent nach oben geklettert. Und am Freitag hat die Bank of Japan, so wie die EZB schon zuvor, Negativzinsen eingeführt, was die Tokioter Börse in Freudentaumel versetzt hat. Beide Ereignisse konnten die Kurse in Europa und den USA zwar kurzfristig befeuern, aber noch nicht wirklich in Umkehrmodus versetzen.

Dafür haben die ebenfalls am Freitag veröffentlichten, relativ schlechten US-Konjunkturdaten überraschend wenig Abwärtsdruck ausgeübt. Die Märkte sind nach ihren Abstürzen zu Jahresbeginn jetzt eben auf der Suche nach Orientierung. Bisher gibt es allerdings keine zwingenden Hinweise darauf, dass dieser Prozess den Weg dauerhaft nach oben weisen wird.

Ein Problem ist, dass sich das konjunkturelle Umfeld kontinuierlich verschlechtert. Diese Woche ist die globale Konjunkturprognose ja erneut zurückgenommen worden. Und die USA haben für ihre Wirtschaft ebenfalls eine deutliche Verlangsamung berichtet. Die Konjunktur, das kann man jetzt schon sagen, wird heuer deutlich schlechter ausfallen, als dies das derzeitige Kursniveau widerspiegelt.

Das wird sich relativ bald auf die Unternehmensgewinne auswirken. Bei einer Reihe von Aktien heißt das: Die Bewertung ist zurzeit zu hoch. Wie nervös Anleger momentan reagieren, hat man diese Woche bei Amazon(ISIN US0231351067) gesehen: Der Internethändler berichtete einen Rekordgewinn – was die Aktie aber nicht daran hinderte, einen zehnprozentigen Absturz aufs Börsenparkett zu legen. Der Ausblick war nämlich nicht gut genug.

Amazon war freilich nach klassischen Kriterien (etwa KGV) schon reichlich luftig bewertet, eine Normalisierung war also ohnehin überfällig.

Insgesamt ist die Lage für längerfristige Engagements trotz der Stabilisierung der Indizes in der vergangenen Woche noch zu unsicher. In den vergangenen Wochen haben sich ja alle Anstiegsversuche der Indizes relativ bald festgefahren. Ein Zeichen dafür, dass Börsianer Zwischenanstiege der Kurse massiv als Ausstiegsgelegenheit nutzen statt beherzt zuzugreifen.

Solange das so läuft, ist der Boden noch nicht erreicht. Für Leute, die nicht kurzfristig traden, sondern mittelfristig anlegen wollen, ist die Börse also noch immer off limits.

Wer es trotz der ausdrücklichen Empfehlung, noch die Finger von Aktien zu lassen, probieren will, kann es natürlich mit Aktien versuchen, die die Börsenflaute bisher erstaunlich gut verdaut haben.

Microsoft (ISIN US5949181045) hat in den vergangenen Tagen eine erstaunliche Wende hingelegt und befindet sich nun wieder rasant in Richtung des Ende 2015 erreichten Allzeithochs. Der Software-Riese hat mit seinem Windows Phone zwar einen veritablen Flop hingelegt, aber im Cloud-Geschäft stark zugelegt und Verkaufserfolge mit seinen Surface-Tablets gefeiert. Die Börse hat auf die jüngst vorgelegten Quartalszahlen überaus positiv reagiert, die Aktie hat jetzt frischen Schwung.

Ihr Allzeithoch bereits geknackt hat in den vergangenen Tagen die Aktie von Facebook(ISIN US30303M1027). Analysten geben der Aktie jetzt ein – allerdings längerfristiges – Kurspotenzial von gut 40 Prozent.

Eine Kaufempfehlung hat diese Woche die an dieser Stelle schon mehrfach besprochene Aktie von Evotec(ISIN DE0005664809) abgeräumt. Das Bankhaus Lampe traut der zu Jahresbeginn deutlich abgestürzten Aktie ein Kursziel von 4,60 Euro zu, was angesichts des derzeitigen Kurses von rund 3,40 Euro ein doch beträchtliches Potenzial darstellen würde.

Aufgezeigt hat diese Woche (ebenfalls nach Zahlen) die Kreditkartenfirma Visa(ISIN US92826C8394). Hier muss sich die Trendumkehr aber erst bestätigen. Grundsätzlich gilt freilich weiterhin: Solange die Börsen insgesamt nicht deutliche Zeichen der Trendumkehr zeigen (und das tun sie derzeit noch nicht), bleiben die Aktienmärkte für konservativ agierende Anleger zu riskant.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.