Die Börsenampel zeigt Rot

USA, New York, Wallstreet, Boerse
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Warum die Börsenampel noch immer Rot zeigt und was den jüngsten Höhenflug des LNG-Produzenten Cheniere Energy ausgelöst hat.

Manisch-depressiv: So haben wir den Zustand der Börse vor einer Woche an dieser Stelle klassifiziert. Und der Handelsverlauf der vergangenen Tage hat das wohl wieder einmal bestätigt. Ein starker Absturz zur Wochenmitte, ein ebenso starker Aufschwung zum Wochenende hin – und jetzt stehen wir wieder ungefähr dort, wo wir zu Wochenbeginn gestanden sind. Aber die Nerven jener, die derzeit auf dem Markt sind, wurden wieder heftig strapaziert.

Das Positive: Nach unten sind die Kurse jetzt relativ stark abgepolstert. Fallen sie unter eine bestimmte Marke, treten sofort Käufer auf den Plan. Beim für uns sehr relevanten DAX beispielsweise sorgt dieses Schnäppchenjägerverhalten dafür, dass sich bei rund 9000 Punkten ein relativ sicherer Riegel gegen weitere Abstürze gebildet hat.

Die schlechte Nachricht: Dieser Riegel existiert auch auf der Oberseite. Beim DAX beispielsweise liegt er bei rund 9600 Punkten. Knapp darunter machen die glücklichen Schnäppchenjäger meist Kasse, weil sie dem Frieden nicht wirklich trauen. Wahrscheinlich zu Recht, denn am fundamentalen Umfeld hat sich in den vergangenen Wochen ja nichts geändert. Im Gegenteil: Die globalen Konjunkturaussichten – und damit wohl auch die Gewinnerwartungen vieler börsenotierter Firmen – haben sich weiter eingetrübt.

Nach den Anstiegen am Freitag liegen die Kurse im oberen Bereich der derzeit sehr breiten Seitwärtskanäle. Aber sie haben die Deckel eben noch nicht durchstoßen. Und so lang sie das nicht nachhaltig tun, bleibt die Börsenampel auf Rot. Es gibt derzeit für mittelfristig orientierte Anleger keinen Grund, im aktuellen Kurzfrist-Trader-Paradies Geld zu riskieren.

Natürlich gibt es, wie immer, ein paar Sonderfaktoren, die bestimmte Aktien interessant erscheinen lassen. Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass das Umfeld sehr riskant ist und nicht zum Engagement einlädt. Von einem solchen Sonderfaktor profitiert zurzeit ein alter Bekannter: Der US-Schiefergasproduzent Cheniere Energy (ISIN US16411R2085) fährt derzeit ab wie Meiers Katze. Und das hat einen Grund: Cheniere ist der bisher einzige US-LNG-Produzent (LNG steht für Liquid Natural Gas) mit einer Exportlizenz. Und er hat soeben mit dem Exportieren begonnen. Die Folge: Binnen kürzester Zeit legte der Kurs von 25 auf zuletzt 36 Dollar zu. Nicht schlecht in einem sinkenden Markt.

Cheniere war an dieser Stelle im Jänner 2013 bei einem Kurs von 20 Dollar empfohlen worden. In den folgenden eineinhalb Jahren konnte die Aktie ihren Wert auf 84 Dollar mehr als vervierfachen. Wer also den hier regelmäßig wiedergekauten Rat befolgt hat, Aktien nicht liegen zu lassen, sondern bei starken Verkaufssignalen abzustoßen, hat viel Geld gemacht.

Danach kam mit dem Ölpreis der Absturz auf 25 Dollar. Aber jetzt geht es wieder nach oben. In dieser Woche haben Goldman Sachs und Citigroup das Papier auf „Kaufen“ hochgestuft. Der Analystenkonsens in den USA liegt bei „Buy“ und einem Einjahreskursziel von 67,67 Dollar. Sieht nicht schlecht aus.

Cheniere ist aber, wie gesagt, keine „Buy and hold“-Aktie. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren hohe Verluste aufgehäuft. In den Kurserwartungen steckt also sehr viel Zukunftshoffnung. Wer sich hier engagiert, beobachte den LNG-Markt und die Unternehmensentwicklung sehr genau und nehme beherzt Gewinne mit, sobald Verkaufssignale am Horizont erscheinen.

Eine üble Manipulation hat die Aktie des deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard (ISIN DE0007472060) in den kaufbaren Bereich stürzen lassen: Ein bis dahin völlig unbekannter Researchdienst, dessen Website schon wieder aus dem Netz verschwunden ist, hatte mehrere Wirecard-Manager der Geldwäsche bezichtigt und eine Verkaufsempfehlung mit Kursziel Null veröffentlicht.

Die Folge: Der Wirecard-Kurs brach kurzfristig um 20 Prozent ein. Rund ein Drittel des Verlusts ist zwar schon wieder aufgeholt, aber der Kurs lädt – vorausgesetzt, die Vorwürfe stimmen nicht – jetzt wirklich zum Einstieg ein. DZ Bank und Kepler Chevreux haben nach dem Kurssturz Kaufempfehlungen mit Kursziel 53 bzw. 55 Euro abgegeben. Zuletzt notierte das Papier bei rund 37 Euro, was immer noch ein schönes Potenzial ergäbe. Allerdings könnten die jüngsten Turbulenzen dazu führen, dass die Aktie in nächster Zeit deutlich volatiler unterwegs ist als bisher gewohnt.

josef.urschitz@diepresse.com diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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