Kurssprünge

Schiefe Ebene: EZB-Chef Mario Draghi versucht verzweifelt, das Abrutschen in die Deflation aufzuhalten.
Schiefe Ebene: EZB-Chef Mario Draghi versucht verzweifelt, das Abrutschen in die Deflation aufzuhalten.(c) APA/AFP/DANIEL ROLAND
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Warum die Kurssprünge nach dem EZB-Entscheid ein Alarmsignal sind, und wie der deutsche Wahlsonntag die Kurse bewegt.

Normalerweise ist die Reaktion der Börse auf Notenbankentscheidungen ziemlich gut kalkulierbar: Kündigt die EZB an, ihren Leitzins zu senken und noch mehr Geld in die Märkte zu pumpen, dann quittieren das die Großanleger mit einem Kursfreudenfeuer. So ist es zumindest bisher immer verlässlich passiert.
Doch diesmal ist alles anders: Als EZB-Chef Draghi am Donnerstag eine seiner wohl letzten Bazookas auspackte, gingen die europäischen Indizes zuerst erwartungsgemäß kerzengerade in die Höhe – um schon kurz darauf wie ein Stein in den Keller zu fallen. Solche Bewegungen sieht man nicht allzu oft. Beim deutschen DAX betrug die Schwankungsbreite 500 Punkte an einem einzigen Tag. Wobei der Absturz am Freitag dann zur Hälfte wieder kompensiert wurde.

Wenn Indizes eine Schwankungsbreite von fünf Prozent an einem einzigen Tag aufweisen, dann herrscht wohl Alarmstufe Rot. Wenn Bären und Bullen einander so in die Haare geraten, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass auch Großinvestoren, die ja die Märkte entscheidend bewegen, keine Idee haben, in welche Richtung die Reise geht. Die Verunsicherung ist riesig, zumal ja die EZB zeitgleich mit dem weiteren Aufdrehen der Geldschleusen eine eher verhaltene Konjunktureinschätzung abgegeben hat.

Wie es weitergeht, wird jetzt wesentlich davon abhängen, wie die Märkte den jüngsten Draghi-Schritt einordnen: als Befreiungsschlag, der endlich das Deflationsgespenst verbläst. Oder als weiteren Verzweiflungsakt einer Notenbank, die dem Phänomen mit ihren traditionellen Instrumenten nicht mehr beikommt – und als Antwort darauf die Dosis ihres unwirksamen Medikaments immer weiter erhöht. Zumindest Ökonomen scheinen derzeit eher zur zweiten These zu neigen.

Das Aufwärtspotenzial scheint jedenfalls begrenzt zu sein, und längerfristig orientierte Privatanleger haben in einem Markt, der solche Bocksprünge veranstaltet, eher nicht viel verloren. Abwarten und beobachten scheint derzeit noch die bessere Devise zu sein.

Wobei heute eine Art Richtungsentscheidung für den in Kontinentaleuropa doch sehr dominierenden deutschen Markt ansteht: Der Superwahlsonntag in drei deutschen Bundesländern wird auch von den Börsianern sehr genau beobachtet. Gewinnt die rechtspopulistische AfD stark und sacken die beiden „Altparteien“ SPD und CDU, die im Bund ja eine Koalition bilden, deutlich ab, dann steht dem deutschen Leitindex wohl eine schwierige Woche bevor. Und das wird dann im Rest Europas auch nicht für besonders ausgelassene Börsenstimmung sorgen.

Wir raten, wie gesagt, angesichts der Turbulenzen von Engagements eher ab. Wer sich vom Umfeld nicht abschrecken lässt, für den haben Analysten natürlich weiterhin Tipps parat. Die schweizerische UBS beispielsweise hat den Medizintechnikkonzern Fresenius (SISIN DE0005785604) von „Hold“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von 64 auf 70 Euro erhöht. Derzeit ist die Medizintechnikaktie um rund 62 Euro zu haben.

Eine Kaufempfehlung hat auch der deutsche Chemiewarenhändler Brenntag (ISIN DE000A1DAHH0) bekommen. Warburg Research hält den zuletzt etwas unter die Räder gekommenen Wert für unterbewertet, das Kursziel von 53 Euro liegt um rund 16 Prozent über dem aktuellen Kurs.

Recht gut hielt sich zuletzt der deutsche Industrieroboterhersteller Kuka (ISIN DE0006204407). Die Aktie liegt ganz knapp unter ihrem vor Kurzem erreichten Allzeithoch und gehört zu den wenigen Werten, die trotz aller Börsenturbulenzen seit Jahresbeginn im Plus liegen. Die Deutschen profitieren nicht nur von der starken Nachfrage nach Robotern seitens der Industrie (Stichwort: Industrie 4.0), sie haben auch das Interesse chinesischer Investoren geweckt, was ihren Zugang zum künftig wohl größten Robotermarkt der Welt beträchtlich erleichtert. Es sieht so aus, als könnte man mit diesem Papier einen wichtigen Trend der kommenden Jahre ausreiten. Und charttechnisch macht der Wert im Augenblick auch einen passablen Eindruck.

Rund 20 Prozent Zuwachs auf 135 Dollar erwartet das japanische Analysehaus Nomura für die Aktie von Facebook (ISIN US30303M1027). Die Empfehlung lautet daher „Buy“. Das US-Unternehmen ist dabei, sein Livevideoangebot stark auszubauen, und plant dazu ein eigenes Sportportal.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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