Dünne Börsenluft

SWITZERLAND-FOOD-NESTLE
SWITZERLAND-FOOD-NESTLEAPA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Wie dünn die Börsenluft nach den jüngsten Kurssprüngen geworden ist und warum Nestlé ein Ruhekissen mit Potenzial darstellt.

Daten aus China haben uns eine unerwartet gute Börsenwoche beschert. Sie wurden von den Börsianern jedenfalls so gedeutet, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft doch nicht so stark abschwächen dürfte, wie die Prognostiker zuletzt angedeutet hatten.

Das Ergebnis: Die für heimische Anleger wichtigen Indizes konnten die Woche trotz der Gewinnmitnahmen am Freitag im Schnitt mit mehr als vier Prozent Zuwachs abschließen. Im europäischen Blue-Chip-Index Eurostoxx 50 war dies der stärkste Wochenbeginn seit sechs Monaten.

Man sollte die Bewegung allerdings nicht überbewerten. Die Indizes sind mit dem Kurssprung zur Wochenmitte in recht luftige Regionen vorgedrungen. Die europäischen Börsenbarometer stehen jetzt in einem Bereich, in dem in den vergangenen Monaten immer heftige Gewinnmitnahmen eingesetzt haben. Zumindest für die nächsten Tage dürfte also einmal die Luft heraußen sein.

Analysten meinten am Freitag, dass das jetzt erreichte Niveau nur dann als Basis für weitere substanzielle Kursanstiege angesehen werden könne, wenn die erreichten Notierungen fundamental abgesichert werden können. Gefragt sind also Gewinnsteigerungen.

Genau danach sieht es derzeit freilich nicht aus. Die US-Berichtssaison für das erste Quartal ist eher durchwachsen angelaufen. Der Aluminiumkonzern Alcoa, der die Quartalsbilanzsaison traditionell eröffnet, hat enttäuschende Zahlen abgeliefert. Und auch die US-Banken, deren Quartalsbilanzen gefolgt sind, haben schon bessere Zeiten gesehen. Dass der US-Markt das vergleichsweise locker weggesteckt hat, spricht für dessen Robustheit.

In Europa sind die Anleger da weitaus nervöser. Ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis hat in der vorigen Woche in London beispielsweise nicht nur die Burburry-Aktie um mehr als sieben Prozent abstürzen lassen, sondern gleich noch den ganzen Luxusgütersektor mit nach unten gedrückt. Und in Wien hat eine Verlustwarnung der Zumtobel-Aktie einen Tagesverlust von sagenhaften 25 Prozent beschert. Man sieht, Anleger reagieren in Europa auf schlechte Nachrichten derzeit deutlicher sensibler als gewohnt. Das mahnt zu größerer Vorsicht bei Aktienengagements.

Relativ wenig passieren kann normalerweise bei den großen Schlachtschiffen aus der internationalen Blue-Chips-Abteilung. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die Value-Aktie schlechthin, den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé (ISIN CH0038863350). Nestlé hat in der Vorwoche seinen Ausblick leicht angehoben und angedeutet, dass sich das Wachstum im zweiten Halbjahr beschleunigen dürfte. Was der Aktie gleich einmal zu einem kleinen Freudensprung verholfen hat. Im ersten Quartal hatte der Konzern zwar seine eigenen Wachstumsziele verfehlt, die der Analysten aber übertroffen.

Nestlé ist als klassische Value-Aktie kein Papier, mit dem man auf flotte Kursgewinne spekuliert. Aber in den vergangenen Jahren ging es doch stetig nach oben, bevor das letzte Jahr insgesamt Kursstagnation brachte. Analysten halten den aktuellen Kurs des Lebensmittelriesen im Vergleich zur Peer Group jedenfalls für zu niedrig. Ein Ruhekissen mit Potenzial, sozusagen.

Das börsentechnisch krasse Gegenteil von Nestlé ist der Finanzdienstleister Fintech Group (ISIN DE0005249601), der unter anderem den Onlinebroker Flatex betreibt: Klein, mit hohem Kurssteigerungspotenzial, aber naturgemäß auch riskanter. Der Finanzdienstleister hat in der Vorwoche von SMC-Research ein hohes Wachstumspotenzial bescheinigt bekommen, das durch neue Geschäftsfelder, etwa die Aufnahme des Kreditgeschäfts, noch beschleunigt wird. Die SMC-Analysten gehen von einer recht deutlichen Gewinnsteigerung in diesem Jahr aus und verpassen der Aktie ein Kursziel 25,5 Euro. Derzeit notiert das Papier (nach einem scharfen Kursanstieg in diesem Monat) bei 17 Euro. Ergäbe ein Kurspotenzial von exakt 50 Prozent.

Von sich reden gemacht hat vorige Woche auch eine „alte Bekannte“: Die Aktie des Computerkonzerns Apple (ISIN US0378331005) ist aus dem seit Mai des Vorjahrs ausgebildeten Abwärtstrendkanal nach oben ausgebrochen und hat damit ein Kaufsignal generiert. Seit dem Wendepunkt Anfang Februar hat Apple schon rund 20 Prozent zugelegt. Auf diesem Niveau sieht die Aktie recht solide aus.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2016)

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