Warum Aktieninvestments auf kurze Sicht reichlich unsicher sind

Brexit-Skeptiker und Briten-Premier Cameron beim „I'm in“-Zelebrieren: Die EU-Abstimmung wird in dieser Woche die Börsen beherrschen.
Brexit-Skeptiker und Briten-Premier Cameron beim „I'm in“-Zelebrieren: Die EU-Abstimmung wird in dieser Woche die Börsen beherrschen.(c) APA/AFP/POOL/GARETH FULLER
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Goldbarren im Depot aber keinesfalls falsch sein können.

Der vorwöchige Tipp, vorerst die Finger vom Aktienmarkt zu lassen, außer die angepeilten Investments haben irgendetwas mit Gold und Silber zu tun, hat sich eindrucksvoll bestätigt: Praktisch alle großen Börsenindizes stehen deutlich tiefer als vor einer Woche, dafür eilt die Goldnotierung von Hoch zu Hoch. Am Donnerstag wurde jedenfalls auf Dollarbasis der 1300er geknackt, das bedeutet Jahresbestmarke.

An dieser Entwicklung ist auch, aber nicht nur, die Unsicherheit über den Ausgang der Brexit-Abstimmung in der kommenden Woche (siehe unten stehende Geschichte) schuld. Auch sonst hat sich das Szenario so weit eingetrübt, dass Anleger scharenweise sichere Häfen aufsuchen und dabei bereit sind, Höchstpreise für das Krisenmetall Gold zu zahlen und negativ rentierende, zehnjährige deutsche Bundesanleihen ins Portfolio zu nehmen.

Verschlechtert haben sich ja auch die Konjunkturaussichten. Vor ein paar Tagen erst hat die amerikanische Notenbank Fed ihre Prognose für die US-Konjunktur erneut gekappt. Und bei der Gelegenheit (was im Brexit-Vorfeld freilich nicht anders zu erwarten war) die bis vor Kurzem erwartete Zinserhöhung erneut verschoben.

Die sichtbare Unfähigkeit der Notenbanken, aus dem Niedrig- bis Nullzinsumfeld wieder herauszukommen, ist übrigens ein weiterer großer Verunsicherungsfaktor. Deutet sie doch darauf hin, dass das gesamte Geldsystem in einer gröberen Schieflage steckt.

Sollten die Briten für den EU-Ausstieg votieren, dann wird die ultralockere Geldpolitik, die schon vielen Anlegern Bauchschmerzen bereitet, wohl noch deutlich ausgeweitet. Die wichtigsten Notenbanken einschließlich EZB und Bank of England stehen jedenfalls bereit, die Märkte erneut zu fluten und damit einen wirklich großen Brexit-Absturz zu vermeiden. Die Taktik ähnelt angesichts der bereits enorm aufgeblähten Notenbankbilanzen freilich eher dem Versuch, einen Brand beherzt mit Benzin zu löschen. In diesem Umfeld können zur Beruhigung Goldinvestments nicht schaden.

Einschlägige Minenaktien haben wir hier in den vergangenen Wochen schon besprochen. Versicherungscharakter hat freilich nur physisches Gold.Anlageexperten meinten zuletzt, dass eine Edelmetallbeimischung von fünf bis maximal 20 Prozent des Depots angebracht wäre.

Allerdings hat das, wie gesagt, eher Versicherungscharakter für mögliche ungemütliche Zeiten. Der Goldpreis selbst wird – außer es entsteht eine wirklich große Krise – in nächster Zeit wohl steigen, aber eher nicht in den Himmel wachsen. Goldanalysten meinen, dass es im Sommer noch ein Stück aufwärts geht, im Herbst dann aber eine Konsolidierungsphase absehbar ist. Zum Jahresende dürfte die Goldnotierung dann leicht über dem derzeitigen Niveau stehen. Wenn man aus Renditegesichtspunkten in diesen Sektor geht, dann sind in nächster Zeit wohl eher gehebelte Produkte (Optionsscheine, Zertifikate) beziehungsweise Aktien mit De-facto-Hebelwirkung wie etwa Minenpapiere das Instrument der Wahl.

Bei der Gelegenheit: Der in den vergangenen Monaten recht schön hochgezogene Ölpreis konsolidiert schon wieder. Was bei den weltkonjunkturellen Aussichten kein großes Mirakel ist. Wer also in seinen Ölbrancheninvestments Pluszeichen vor dem Depotwert stehen hat, sollte jetzt überlegen, diese Gewinne vorübergehend einmal in die Scheune zu fahren.

Und sonst? Panik ist bei Aktienengagements aus heutiger Sicht nicht angebracht, aber in das derzeit fallende Messer muss man auch nicht unbedingt greifen. Außer man liebt es, mit hohem Risiko zu wetten. Aber das hat mit Anlage ja herzlich wenig zu tun. Jetzt heißt es erst einmal, die Brexit-Abstimmung abzuwarten. Und dann die Lage neu zu bewerten. Denn bei einer positiven Überraschung kann es durchaus auch nach oben gehen, und diesen Zwischenaufschwung sollte man im Falle des Falles zumindest teilweise mitnehmen können.

In diesem Umfeld sind auch die Analysten der Geldhäuser sehr vorsichtig geworden. Die Rückstufungen von Aktien überwiegen die Kaufempfehlungen bei Weitem. Eine der wenigen Ausnahmen ist die deutsche Wacker Chemie (ISIN DE000WCH8881), die Berenberg mit Kursziel 98 (was etwas mehr als 20 Prozent Potenzial entspricht) zum Kauf empfohlen hat. Aber, wie gesagt, besser erst nach dem Brexit-Votum.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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