Warum die EZB in Sachen Kapitalmärkte nervös wird

(c) APA/Boris Roessler
  • Drucken

Und wie sich um Actelion Fusionsgerüchte ranken.

Während sich die Kurse auf hohem Niveau in Europa seitwärts und in den USA leicht aufwärts bewegen, wird die Europäische Zentralbank nervös: Das Risiko für Kurskorrekturen an den Kapitalmärkten sei zuletzt deutlich gestiegen, sagte EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio in der vorigen Woche. Tatsächlich sind die politischen Risken groß: Nach dem überraschenden Wahlsieg Donald Trumps, der Anleger und Analysten auf dem falschen Fuß erwischt, sich letztendlich aber im Wohlgefallen einer ebenso überraschenden Kursrallye aufgelöst hat, schauen Anleger jetzt wie gebannt nach Italien: Rutscht Ministerpräsident Renzi mit seinem Referendum am 4. Dezember aus, dann rechnen nicht nur die Währungshüter fix mit Turbulenzen auch an den Börsen.

Zusätzlich schreckt in den USA das Zinsgespenst die Börsianer, denn eine (an den Märkten wahrscheinlich wohl schon eskomptierte) kleine Erhöhung der US-Leitzinsen im Dezember gilt als fix. Die Frage ist aber, wie es dann weitergeht. Zwingt die von Trump angekündigte expansive Schuldenpolitik die Notenbank zu rasanteren Zinssteigerungen im kommenden Jahr, dann ist der seit mehreren Jahren anhaltende Bullenmarkt wohl erst einmal Geschichte. Ein solches Szenario könnte eintreten, wenn die Inflation in den USA schneller in Fahrt kommt. Beobachter glauben allerdings nicht, dass die Fed einen schon einmal gemachten Fehler wiederholt und die Finanzmärkte mit zu starken Zinsschüben erdrosselt. Spannend werden die nächsten Monate für Anleger allemal.

Kurzfristig besteht aber noch kein Grund, dem Markt ade zu sagen. Man sollte allerdings vorsichtiger als gewöhnlich agieren und seine aufgelaufenen Gewinne im Fall des Falles durch beherzte Verkäufe sichern. Aussitzen ist schon länger keine wirkliche Börsenoption mehr. Und was tut sich konkret an den Märkten? Die heißeste Meldung kam gestern aus der Schweiz. Dort ist die Aktie des Biotech-Konzerns Actelion (ISIN CH0010532478) am Freitag in der Spitze um mehr als 14 Prozent hochgesprungen, nachdem Gerüchte aufgetaucht sind, der US-Pharmariese Johnson & Johnson plane die Übernahme des Unternehmens.

Die Aktie, die bei mehreren Analysten auf „strong buy“ steht, hat mit dem großen Sprung zwar ihr Kursziel praktisch schon erreicht. Falls an den Gerüchten etwas dran sein sollte, sind diese Ziele aber Makulatur. Analysten gehen davon aus, dass die Amerikaner in diesem Fall tief in die Tasche greifen und mindestens 30 Prozent auf den aktuellen Kurs drauflegen müssten. Die Übernahme würde sich damit jenseits der 20-Mrd.-Euro-Marke abspielen. Grund für die hohe Prämienerwartung ist die Aussicht auf einen Bieterkampf. Actelion war zuletzt schon mehrmals Ziel von Übernahmeversuchen, das Management hat bisher aber alle Avancen abgeschmettert. Mehrere Interessenten, darunter die französische Sanofi, sollen sich aber weiter brennend für eine Übernahme interessieren. Actelion ist damit eine Spekulation mit schönen kurzfristigen Aussichten, verbunden allerdings ebenso mit enormem Risiko.

Spekulativ sind wohl auch die dieswöchigen Kaufempfehlungen für Commerzbank (ISIN DE000CBK1001) und Deutsche Bank (ISIN DE0005140008). Die vom Bankhaus Lampe genannten Kursziele (neun bzw. 21 Euro) würden Kurspotenziale von jeweils mehr als einem Drittel bedeuten. Beide Banken haben allerdings noch Risken im Keller liegen. Nach der Kostolany-Methode (kaufen, ins Depot legen, schlafen gehen und in paar Jahren reich aufwachen) würde ich mir derzeit keine Bankaktien anschaffen. Aber für kurzfristige Spekulationen sind so stark schwankende Papiere schon geeignet.

In Deutschland hat sich der Gesundheitskonzern Fresenius (ISIN DE0005785604) in die Herzen der Analysten vorgearbeitet. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren konstant zweistellige Kurszuwächse abgeliefert, ohne in Überhitzung zu fallen. Zuletzt hat ein deutscher Börsenbrief (Boerse.de-Aktienbrief) das Papier auf Basis eines gerade aufgetretenen Kaufsignals zum Einstieg empfohlen. Die Experten rechnen mit einer Kurschance von mehr als 90 Prozent in den kommenden fünf Jahren. Man kann jetzt natürlich trefflich darüber diskutieren, wie seriös Kurse auf diese lange Zeit vorausgesagt werden können. Aber selbst wenn man diesen Wert gleich wieder vergisst: Fresenius sieht nicht schlecht aus.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Donald Trump
Geld & Finanzen

Trump lässt Zinsen steigen und Banker hoffen

Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten lässt die Zinsen steigen. Banken und Versicherer hoffen - "Ein leichter, milder Zinsanstieg wäre sicher besser für uns".
EZB-Direktor Yves Mersch betätigt sich als Augur.
Österreich

EZB visiert Wende in der Zinspolitik an

Auch die Anleihenkäufe als "temporäre Maßnahmen" wird die EZB langsam zurückfahren.
Newly appointed Italian Prime Minister Paolo Gentiloni speaks before a confidence vote at the Senate in Rome
Österreich

Gentiloni will 15 Mrd. Euro für Banken-Rettung locker machen

Von dem Rettungsplan sollen nicht nur die Krisenbank Monte Paschi di Siena (MPS), sondern auch andere Problemgeldhäuser profitieren.
EZB-Chef Mario Draghi.
Geld & Finanzen

EZB pumpt weiter Geld in den Markt

Die EZB setzt den Kauf von Staatsanleihen in großem Stil bis mindestens Dezember 2017 fort. Der Leitzins bleibt auf einem Rekortief von null Prozent.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.