Russland: Friedenspakt im Oligarchenkrieg

Friedenspakt Oligarchenkrieg
Friedenspakt Oligarchenkrieg(c) APA/Hans Klaus Techt (Hans Klaus Techt)
  • Drucken

Die russischen Oligarchen Michail Tschernoi und Oleg Deripaska haben in London einen Milliardenstreit beigelegt. Beide sind für ihre Geschäftsbeziehungen nach Österreich bekannt.

Moskau. Was letztlich den Ausschlag gegeben hat, dass sich die größten Fische der russischen Metallindustrie, die beide einen starken Österreichbezug haben, Ende voriger Woche urplötzlich außergerichtlich geeinigt haben, bleibt wohl noch lange im Dunkeln. Manche vermuten, dass sich sogar Kreml-Chef Wladimir Putin eingeschaltet haben könnte, denn schließlich ging es um den weltweit größten Aluminiumkonzern Rusal, über dem lange das Damoklesschwert des Gerichtsprozesses geschwebt hatte.

Wahrscheinlicher ist freilich, dass ein anderer Oligarch der Branche als Vermittler gerufen worden war, um die Streithähne zu besänftigen. Und am Ende war es wohl die finanzielle Vernunft, schließlich können sich Gerichtskosten in London unermesslich steigern und die dortige Justiz hat in einem vergleichbaren Fall zweier anderer russischer Oligarchen kürzlich nicht dem angeblich Geschädigten Recht gegeben und ihn daher finanziell noch mehr bluten lassen.

Wie auch immer sich der Hergang gestaltete, nun ist klar: Der 60-jährige Michail Tschernoi erhält keine Milliarde Dollar vom 44-jährigen Oleg Deripaska. In etwa diese Summe hatte er verlangt, weil ihm seinen Behauptungen zufolge 20 Prozent aus 66 Prozent der Rusal-Anteile gehören, also effektiv 13,2 Prozent. Er sei für das Abtreten dieses Paketes an seinen Geschäftspartner Deripaska im Jahr 2001 nie im vereinbarten Ausmaß entschädigt worden, meint er. Die 250 Millionen Dollar, die er damals erhalten habe, seien viel zu wenig gewesen.

War es ein Erpressungsversuch?

Genau im Wort „Geschäftspartner“ aber lag auch der Hund der ganzen Affäre begraben. Deripaskas Seite nämlich bestand darauf, dass Tschernoi kein Geschäftspartner war, sondern eine kriminelle Autorität, wie das im Mafiajargon heißt, der man Geld für die „Kryscha“ zahlt.

Das russische Wort „Kryscha“ (wörtlich „Dach“) bedeutet im übertragenen Sinn die kriminelle Vereinigung, die Geld erpresst und dafür Angriffe anderer Geschäftsgegner abwendet. Derartiges war gerade in den 1990er-Jahren, als die Geschäftsfelder in Russland mehr oder weniger undurchsichtig unter den nachmaligen Oligarchen aufgeteilt wurden, gang und gäbe – ja und ist auch heute nach der Verlagerung auf Beamtenebene noch weit verbreitet.

„Entweder du erhältst eine Kryscha oder du verlässt den Sektor“, erklärte Deripaska im Interview mit dem „Telegraph“ das damalige Regelwerk: „Es war mir verhasst zu zahlen, aber eine andere sichere Wahl gab es damals einfach weder für mich noch für meine Mitarbeiter. Aber ich wusste, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Es war ein Mittel zum Zweck.“

Der Zweck war, dass Deripaska am Ende den ganzen Aluminiumsektor monopolisierte. Zuvor hatte der gelernte Physiker als Broker gearbeitet. Weil Tschernoi, damals Platzhirsch im Aluminiumsektor, das Talent des Jungspundes erkannte, kaufte er mit ihm gemeinsam weitere Anteile. Irgendwann war Deripaska groß genug, heiratete sich in die Familie des Ex-Präsidenten Boris Jelzin ein, und drängte die anderen aus dem Geschäft. Die 250 Millionen Dollar an Tschernoi nennt er „Abfindung“ für die gewährleistete „Kryscha“.

Tschernoi zog sich später als israelischer Staatsbürger nach Israel zurück, das er auch deshalb nicht verlässt, weil Spanien ihn 2009 wegen Geldwäsche zur internationalen Fahndung ausgeschrieben hat. Zuvor war Tschernoi bis zu einem Aufenthaltsverbot in Bulgarien aktiv, wo er die dortige MobilTel für 800 Mio. Euro an die Gruppe um den österreichischen Investor Martin Schlaff veräußerte, der das Mobilfunkunternehmen 2005 mit einem bis heute unerklärten Preis von 1,6 Mrd. Euro an die Telekom Austria weiterverkaufte. Ex-ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hat in dieser Zeit ein österreichisches Visum für Michail Tschernoi befürwortet.

Staatsbürgerschaft erhalten

Deripaska seinerseits hatte vor der Finanzkrise, als er als damals reichster Russe auch Anteile an Magna und Strabag kaufte, Interesse an einer österreichischen Staatsbürgerschaft.

Bekommen hat er eine solche zwar nicht. Etwas später wurden allerdings seine ehemalige rechte Hand Gulschan Moldaschanowa und sein Schwiegervater Valentin Jumaschew, zur Jelzin-Zeit Strippenzieher im Kreml, österreichische Staatsbürger.

Auf einen Blick

Oleg Deripaska wurde in Österreich bekannt, als er Anteile am Baukonzern Strabag und an Stronachs Magna-Konzern erwarb. Michail Tschernoi war in den Verkauf der bulgarischen Mobilfunkfirma MobilTel an die Telekom Austria involviert, der auch den U-Ausschuss im Parlament beschäftigt. Beide Oligarchen haben nun ihren Streit über eine Milliarde Dollar in London beigelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.