Quasi-Monopolist Delta treibt die Teuerung in Serbien an und hält die Konkurrenz fern.
WIEN/BELGRAD (ag./p. m.).Jugoslawien war in der KP-Ära blockfrei und demonstrierte das bei allen sich bietenden Gelegenheiten. Aber bei allen Meinungsverschiedenheiten hatte es eines mit den Genossen im Ostblock gemeinsam: Brot und Spiele mussten billig sein. Lang, lang ist's her...
„Lebensmittel in Serbien kosten im Schnitt knapp ein Drittel mehr als in Deutschland“, schreibt die Belgrader Boulevardzeitung „Blic“ jetzt in einem Preisvergleich. Ähnliches hatte die „Presse“ schon vor einem Jahr konstatiert. Damals kostete ein Liter Milch 50 Cent. Ein Durchschnittsverdiener in Serbien hätte 500 Liter kaufen können, ein Durchschnittsverdiener in Österreich die fünffache Menge.
Eine Durchschnittsfamilie in Belgrad verliert laut „Blic“ durch hohe Lebensmittelpreise etwa 500 Euro im Jahr, also den monatlichen Durchschnittsverdienst eines Haushalts. In der Bevölkerung wird nun wieder ein alter Spruch bemüht: „Wir bekommen afrikanische Löhne, zahlen aber amerikanische Preise.“ Der Fall sei klar: „Dass die Waren soviel teurer sind, kommt durch die Monopole und die riesigen Handelsmargen“, wird die Wissenschaftlerin Vladana Hamovic zitiert. Nach Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Aleksandar Stefanovic liegt die Handelsspanne in Serbien bei 30 Prozent.
160 Prozent Aufschlag
Oder noch mehr. Ein aufgebrachter Bürger berichtete, er habe bei einer Kleiderkette in Slowenien eine Jacke für 25 Euro gekauft, für die in Belgrad beim gleichen Anbieter 65 Euro verlangt worden seien – ein Aufschlag von 160 Prozent. Des Rätsels Lösung: Die serbischen Geschäfte der Marke werden von der allmächtigen Delta-Gruppe des Dollar-Milliardärs Miroslav Miskovis betrieben.
Die horrenden Preise könnten nur durch Konkurrenz wieder auf ein normales Maß zurückgeführt werden, sind sich alle einig. Doch nach inoffiziellen Informationen gelingt es der Delta-Holding immer wieder, missliebige Mitbewerber zu blockieren. Die deutsche Metro-Gruppe soll in ihrer Expansion ebenso behindert worden sein wie zuletzt die französische Kette Intermarché, schrieb die Zeitung „Danas“.
Wie Massenvernichtungswaffen
Das Blatt berichtete von seltsamen Zollbarrieren für ausländische Lebensmittel. „Oft kontrollieren Zöllner französischen Käse so lange und genau, als handle es sich um Massenvernichtungswaffen.“ Und Aleksandar Stefanovic ist überzeugt, dass die Regierung trotz aller Lippenbekenntnisse nach Kräften Investitionen ausländischer Konkurrenten verhindere. Sie schütze die Monopolisten, „weil sie die Parteien finanzieren“, behauptet er.
Delta hat mit den Handelsketten C-Markt, Maxi, Pekabeta und Tempo nicht nur auf dem serbischen Lebensmittelmarkt das Sagen, sondern auch in immer mehr post-jugoslawischen Republiken. Ende 2006 fusionierten der serbische Handelsriese und der kroatische Agrokor-Konzern im Rahmen einer strategischen Partnerschaft ihre Handelsketten Delta und Agrokor Konzum. Heuer im Juli übernahm Delta im bosnischen Teilstaat Republika Srpska die Kontrolle über zwölf Kaufhäuser der Handelskette Tropic. Der Deal wurde mit der Ankündigung garniert, Delta wolle binnen Jahresfrist in der Republika Srpska wie auch in der bosnisch-kroatischen Föderation (dem größeren Landesteil) Marktführer werden.
Teuerung auch in Bosnien
Und wie ging die Geschichte weiter? Erraten: Die bosnischen Medien berichteten im November, dass viele Lebensmittel bereits teurer seien als in Deutschland. In der Tageszeitung „Dnevni Avaz“ hieß es, seit Ende September sei der Preis für Butter um mehr als 65 Prozent gestiegen. Die Statistikbehörde gab die monatlichen Kosten für eine vierköpfige Familie im Oktober mit 610 Euro an, davon allein 302 Euro für Lebensmittel. Der Durchschnittslohn betrug 333 Euro, die durchschnittliche Rente 146 Euro.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2007)