Industrie-Ansiedelung: Mercedes im Nokia-Sog?

Im rumänischen Dorf Jucu herrscht großer Andrang.

BUKAREST/WIEN (p. m.). Ist die Geschichte nicht wahr, so ist sie zumindest gut erfunden: Mercedes baut sein neuestes Autowerk in unmittelbarer Nachbarschaft der Nokia-Fabrik im rumänischen Dorf Jucu bei Cluj (Klausenburg), behauptet die Zeitung „Ziua de Cluj“. Die Autofabrik werde 170 bis 200 Hektar im Industriepark III einnehmen und 400 Millionen Euro kosten. Daneben wollten zwei andere Autokonzerne bauen – in Jucu würden ab 2011 nicht weniger als 350.000 Autos jährlich von den Bändern rollen.

Der Geschichte fehlt nur die Pointe, ob die Deutschen, die Nokia wegen der Schließung des Werkes Bochum zürnen, dann auch Mercedes boykottieren. Denn eine Fabrik in Jucu würde die Produktion im deutschen Rastatt ablösen. Mercedes bestätigt weder, ob ein Werk in Rumänien oder in Polen geplant sei – geschweige denn, ob dann Rastatt geschlossen wird.

Tatsache ist hingegen, dass sich im Sog von Nokia die Bewerber in Jucu drängen: Laut der Online-Ausgabe „Evenimentul Zilei“ will der Paketdienst UPS ein Zustellzentrum errichten, das im Endausbau 400 Personen beschäftigen werde. Die Mitarbeitersuche wurde von Daniel Don, dem Direktor des Arbeitsamtes des Komitats Cluj, bestätigt. UPS habe ihn, Don, gebeten, nach Nokia-Muster eine Jobbörse zu organisieren.

Nicht alle ausländischen Unternehmen haben gute Erfahrungen mit rumänischen Arbeitskräften. Nokias deutsche Baufirma Goldbeck hat sie wegen mangelnder Professionalität durch Polen, Slowaken und Ungarn ersetzt, so die finnische Zeitung „Helsingin Sanomat“. Zwölf andere Baufirmen mussten 58.500 Lei (etwa 17.200 Euro) Geldstrafen zahlen, weil sie die Beschäftigung von Ausländern nicht gemeldet hatten.

900 Euro pro Quadratmeter

Der Andrang auf Jucu treibt die Grundstücks- und Immobilienpreise in ungeahnte Höhen. In einem Apartmenthaus am Dorfrand, das kurz vor der Fertigstellung steht, kostet der Quadratmeter schon rund 900 Euro – soviel wie mitten in der Stadt Cluj. Fast 40 der 90 Wohnungen gehören seit Baubeginn britischen Investoren.

Laut Direktor Viorel Gavrea platzt der Industriepark Tetarom aus allen Nähten. Nokia nutze 90 der 159 Hektar, der Rest werde von Zulieferern und Dienstleistern beansprucht. Und es gebe Bedarf für weitere 700 Hektar. Das Problem: Die staatlichen Felder neben Tetarom werden von der Agraruniversität Cluj genutzt – und die hat vom Bedarf noch nichts gehört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2008)

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